Tops & Flops

Kobayashi, Eisenbichler und Co.: Die Saison der neuen Skisprung-Helden

Ryoyu Kobayashi war der dominierende Springer in dieser Saison, nur bei der WM patzt er. Das nutzt allen voran Markus Eisenbchler mit drei goldenen Momenten. Was sonst noch passiert ist, erzählt skispringen.com im Rückblick.

Eine lange Skisprung-Saison 2018/2019 liegt hinter uns – und die hatte es in sich: Der exklusive „Grand-Slam-Club“ der Vierchanzentournee-Sieger hat mit Ryoyu Kobayashi ein neues Mitglied bekommen, der sich im weiteren Saisonverlauf in beeindruckender Manier auf den Gesamtweltcup und Skiflug-Weltcup gesichert hat. Deutschland hat neue Skisprung-Helden. Die Österreicher haben sich nach einem immer mehr gesteigert und bei der Heim-WM immerhin drei Medaillen geholt. Die Schweiz hat neben Simon Ammann einen neuen Weltklassespringer und die Polen einen neuen Weltmeister. Dahingegen erlebte die gesamte norwegische Mannschaft größtenteils eine Saison zum Vergessen und ein amtierender Olympiasieger kam in dieser Saison nie wirklich in die Spur.

Während zahlreiche Verbände schon die Weichen für die nächste Saison stellen, wirft skispringen.com einen Blick zurück auf die WM-Saison 2018/2019.

Der Überflieger: Ryoyu Kobayashi

Die WM-Saison war definitiv der Winter des Ryoyu Kobayashi. Der Japaner übernahm beim zweiten Weltcup-Wochenende in Kuusamo mit seinen ersten beiden Weltcupsiegen das Gelbe Trikot des Gesamtweltcup-Führenden und gab es im weiteren Saisonverlauf nicht mehr her. Im Gegenteil, mit seinem unnachahmlichen Absprungstil und dem sehr schnellen Übergang in den Flug sammelte er nicht nur Weltcupsiege um Weltcupsieg und nahezu alle Trophäen dieses Weltcup-Winters, sondern brachte die Experten regelmäßig ins Schwärmen. Angefangen bei seinem beeindruckenden Grand-Slam-Triumph bei der Vierschanzentournee, wo er sich weder durch das enge Duell mit Markus Eisenbichler in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen, noch durch den großen Druck vorm letzten Springen in Bischofshofen aus der Ruhe bringen ließ und sein Ding durchzog. Nach der Tournee feierte er in Predazzo seinen sechsten Weltcupsieg in Folge. Es folgte anschließend zwar eine kleine „Schwächephase“ ohne Podiumsplatzierung, doch als es den nächsten Titel zu vergeben gab, war er wieder zur Stelle: In Willingen gewann er die „Willingen Five“-Wertung. So fuhr Kobayashi als Top-Favorit zur WM nach Seefeld und Innsbruck. Doch der Traum vom WM-Gold blieb ihm verwehrt, selbst für eine Einzelmedaille reichte es nicht: Vierter auf der Großschanze und im chaotischen Normalschanzenspringen war auch er, trotz Halbzeitführung, im zweiten Durchgang machtlos. Es reichte nur zu Rang 14. Immerhin gab es aber Bronze im Mannschaftsspringen. Von diesem enttäuschenden Saisonhöhepunkt erholte sich der 22-Jährige aber schnell und gewann eine spannende Raw-Air-Tour knapp vor Stefan Kraft. Und während bei anderen die Kräfte schwanden, zeigte Kobayashi beim Saisonfinale einen genialen Flug auf 252 Meter und sicherte sich somit auch noch den Skiflug-Weltcup und die „Planica 7“-Wertung. Am Ende stehen 13 Saisonsiege und sechs Trophäen. Es war die Saison seines Lebens, der eigentlich nur die Krönung durch den Weltmeistertitel fehlt.

Der Dreifach-Weltmeister: Markus Eisenbichler

Auch Markus Eisenbichler erlebte die Saison seines Lebens und vor allem die WM seines Lebens. Denn sein Name wird für immer mit den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2019 verbunden sein. Doch bevor wir die WM-Triumphe des Siegsdorfers würdigen, schauen wir kurz auf die Vierschanzentournee zurück, die gewissermaßen die Vorgeschichte zur WM bildet. Schließlich zeichnete sich erst dort ab, dass diese Saison erfolgreich werden könnte. Vorher stand nämlich nur ein sechster Platz als Top-Platzierung zu Buche, doch direkt beim Auftaktspringen in Oberstdorf zeigte der 27-Jährige seine bis dato beste Saisonleistung und lieferte sich ein packendes Duell mit Ryoyu Kobayashi. Am Ende fehlten Eisenbichler 0,2 Punkte zum Sieg. Das Duell fand in Garmisch-Partenkirchen seine Fortsetzung, diesmal fehlten 1,5 Punkte zum Sieg. Am Bergisel platzten mit Rang 13 dann zwar alle Hoffnungen auf einen deutschen Tournee-Sieg, doch mit Rang fünf in Bischofshofen sicherte sich der Bayer einen hervorragenden zweiten Platz in der Tournee-Gesamtwertung.

Insgesamt fünfmal sprang er vor der WM auf das Weltcup-Podest, jedoch stand er nie ganz oben. Dreimal verfehlte „Eisei“ den Sieg um weniger als zwei Punkte, jeweils geschlagen von Ryoyu Kobayashi. Und ausgerechnet beim ersten Wettbewerb dieser Weltmeisterschaften, der Einzelentscheidung auf der Großschanze in Innsbruck, holte er sich seinen ersten Einzelsieg und krönte sich zum Weltmeister! Ohne Weltcupsieg zum WM-Titel – das kleine deutsche Skisprung-Märchen war perfekt. Und sollte schon einen Tag später seine Fortsetzung finden: Zusammen mit seinen Teamkollegen Karl Geiger, Richard Freitag und Stephan Leyhe, wurde Eisenbichler der Favoritenrolle gerecht und wurde Mannschafts-Weltmeister. Trotz eines schwächeren Normalschanzen-Wettbewerbs war Eisenbichler natürlich auch für die Mixed-Entscheidung gesetzt und holte dort nach 2017 sein zweites WM-Gold im Mixed-Team und seinen dritten WM-Titel 2019! Beim Saisonfinale in Planica gelang ihm dann tatsächlich auch noch der erste Weltcupsieg. Aber wie konnte es für diese Saison anders sein, musste er sich am Ende doch nochmal Kobayashi geschlagen: Eigentlich wollte Eisenbichler seine Führung im Skiflug-Weltcup verteidigen, doch gegen den Japaner hatte er wieder einmal keine Chance.

Willkommen in der Weltspitze: Karl Geiger

Für Karl Geiger war die abgelaufene Saison, die Saison des endgültigen Durchbruchs. Mit drei WM-Medaillen, zwei Weltcupsiegen und Rang zehn im Gesamtweltcup ist der Oberstdorfer endgültig in der Weltspitze angekommen. Zugleich sprang er sich in die Rolle der deutschen Nummer zwei. Sinnbildlich dafür steht seine Silbermedaille bei der WM-Entscheidung am Bergisel hinter Weltmeister Eisenbichler. An den WM-Titeln mit der Mannschaft und im Mixed-Team hatte er ebenfalls entscheidenden Anteil. Im Mannschaftsspringen am Bergisel legte der 26-Jährige mit zwei starken Durchgängen als Startspringer den Grundstein zum WM-Gold. Bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg im Dezember feierte er seinen ersten Weltcupsieg und ging somit als Mitfavorit in den ersten Saisonhöhepunkt. Dieser Erwartungshaltung konnte er mit Rang elf in der Gesamtwertung zwar nicht gerecht werden, dennoch sprang er eine gute Tournee und bestätigte seine Platzierung aus der Vorsaison. Überhaupt schien es so, dass Geiger immer dann am besten war, wenn der große Druck nicht auf ihm lastete. So wie beim „Willingen Five“, als Markus Eisenbichler und Stephan Leyhe die große Aufmerksamkeit zu teil wurden und Geiger mit einem fantastischen 150,5 Meter-Sprung seinen zweiten Weltcupsieg holte. Mit Rang drei in der „Willingen Five“-Wertung unterstrich er seine gute Form vor der WM. Apropos WM: Nicht zu vergessen an dieser Stelle, dass er beim Normalschanzen-Wettbewerb Zweiter nach dem ersten Durchgang war, aber dann wie viele andere Top-Stars auch, im Schneefall weit zurückfiel.

Schwacher Start, starkes Ende: Stefan Kraft

Wenn jemand Stefan Kraft im Dezember gesagt hätte, dass er am Saisonende drei weitere WM-Medaillen, vier Saisonsiege und einen zweiten Platz im Gesamtweltcup erringen würde, der Österreicher hätte vermutlich sofort unterschrieben. Denn zu Saisonbeginn war von solchen Erfolgen noch nichts zu ahnen. Bis zur Tournee stand gerade einmal ein Top-Fünf-Resultat zu Buche, ansonsten fand sich Kraft mitunter jenseits der Top 20 wieder. Es kriselte im rot-weiß-roten Lager zumal auch die Mannschaftskollegen kaum besser sprangen und das ausgerechnet vor der Heim-WM in Seefeld. Dann kam die Tournee und auf einmal wurde alles besser – naja, fast. Denn nachdem manche nach Rang drei in Oberstdorf schon von einem österreichischen Tournee-Sieg träumten, folgte beim Neujahrsspringen ein Desaster: Rang 49! Wie im Vorjahr scheiterte er in Garmisch-Partenkirchen im ersten Durchgang. Doch von diesem Schock erholte er sich schnell und sprang in Innsbruck und Bischofshofen aufs Podest. Was für eine kuriose Tournee für Kraft, die Tendenz ging, trotz des krassen Ausrutschers, aber eindeutig nach oben. Und sie fand in Zakopane mit dem ersten Saisonsieg ihre endgültige Bestätigung. In Sapporo ließ er zwei weitere Siege folgen und arbeitete sich auch im Gesamtweltcup immer weiter nach vorne. Er reiste als Gesamtweltcup-Dritter zur Heim-WM und holte zweimal Silber mit der Mannschaft und im Mixed und Bronze im Einzel auf der Normalschanze. Dazu gab es einen sechsten Platz auf der Großschanze. Mit dem Gold zuhause wurde es zwar nichts, aber angesichts des großen Drucks sind drei Medaillen eine sehr stattliche Ausbeute. Auch nach der WM hatte der 25-Jährige noch genug Körner um sogar Kobayashi bei „Raw Air“ bis zum Schlusstag herauszufordern. Am Ende wurde er knapp hinter dem Japaner Zweiter und sicherte sich auch im Weltcup einen hervorragenden zweiten Gesamtrang.

Ein neuer Schweizer Skisprung-Star: Killian Peier

Nach dem Rücktritt von Andreas Küttel war Simon Ammann lange Zeit Alleinunterhalter im Schweizer Skispringen. Zwar gab es immer wieder Landsmänner, die den Sprung in den Weltcup schafften, doch in die Weltspitze kam keiner. Spätestens seit dem 23. Februar 2019 ist das anders. An diesem Tag gewann Killian Peier die Bronzemedaille auf der Großschanze und sorgte für eine der größten Überraschungen der WM. Bereits im Training präsentierte er sich ganz stark und sprang sich etwas unfreiwillig in eine Favoritenrolle. Bekanntlich ist jedoch Training und Wettkampf etwas anderes und so war es doch eine kleine Sensation, als der 23-Jährige nach dem ersten Durchgang führte. Noch nie lag er im Weltcup zur Halbzeit vorne und dann ausgerechnet bei einer WM. Aber auch im Finale hielt er dem Druck stand und sprang zu Bronze! Getragen von seinen Teamkollegen um Simon Ammann feierte er den größten Erfolg seiner Karriere. Zudem sprang er in dieser Weltcup-Saison fünfmal in die Top Ten, wurde Zehnter bei der Vierschanzentournee und beendete den Gesamtweltcup als 17. So gut war er bisher noch nie. Wenn er an diese Saison in Zukunft anknüpfen kann, hat die Schweiz vielleicht bald einen neuen Siegspringer.

Glücklicher, aber verdienter Weltmeister: Dawid Kubacki

Mit dem Weltmeistertitel von Normalschanze ist für Dawid Kubacki ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Nach seinen guten Vorleistungen, wie Gesamtrang vier bei der Vierschanzentournee und seinem beeindruckenden ersten Weltcupsieg im Januar in Predazzo, galt er schon im Vorfeld als WM-Mitfavorit. Als absprungstarker Springer hatten ihn viele für die Normalschanze auf dem Zettel. Doch schon nach dem ersten Durchgang schienen alle Medaillenhoffnungen ausgeträumt: nur Rang 27. Im zweiten Durchgang war er früh dran und zeigte, völlig ohne Druck springend, einen starken Sprung und landete bei der Tagesbestweite von 104,5 Metern. Es war der Startschuss zu einer verrückten Aufholjagd von Rang 27 zu WM-Gold. Bei stärker werdendem Schneefall wurde die Spur immer schlechter, so dass die anderen Athleten teilweise chancenlos waren. Auch wenn die Umstände glücklich waren, so ist Dawid Kubacki kein Zufalls-Weltmeister. Zumal dies nicht der einzige Erfolg für den Polen in dieser Saison war. Bei der Vierschanzentournee sprang er zweimal aufs Podest und wurde Vierter in der Gesamtwertung. Kurz danach gelang ihm in Predazzo sein erster Weltcupsieg. So gesehen war der Weltmeister-Titel, trotz der glücklichen Umstände, kein One-Hit-Wonder. Im Gegenteil, es ist die vorläufige Krönung einer beeindruckenden Entwicklung in den vergangenen Jahren, die mit diesem WM-Titel aber sicher nicht abgeschlossen sein dürfte.

Weitere Gewinner

Auch der Österreicher Daniel Huber ist ein Gewinner dieser Saison. In seiner erst dritten Weltcupsaison wurde er starker 16. im Gesamtweltcup und zweitbester Österreicher. Zu Beginn des Winters sorgte der damals 25-Jährige in einer ansonsten schwachen ÖSV-Mannschaft mit seinem dritten Platz in Engelberg für einen der wenigen Lichtblicke. Aufgrund des Patzers von Kraft beim Neujahrsspringen wurde Huber als Neunter bester ÖSV-Springer in der Tournee-Gesamtwertung. Sein persönlicher Höhepunkt waren aber sicherlich die beiden Silbermedaillen mit der Mannschaft und mit dem Mixed-Team jeweils Silber bei der Heim-WM.

Für WM-Medaillen reichte es bei Timi Zajc aus Slowenien nicht. Dennoch zählt der 18-Jährige zu den Entdeckungen dieser Saison. Mit Rang neun wurde er bester Slowene im Gesamtweltcup. Beim Skifliegen in Oberstdorf feierte er etwas überraschend seinen ersten Weltcupsieg. Zajc ist ein Versprechen für die Zukunft und könnte neben den wiedererstarkten Gebrüdern Prevc ein wichtiger Baustein in einer schlagkräftigen slowenischen Mannschaft sein.

Wenn Rang drei nicht mehr gut genug ist: Kamil Stoch

Überall wo es Gewinner gibt, gibt es natürlich auch Verlierer. Da bildet die abgelaufene Skisprung-Saison keine Ausnahme. Dass aber ausgerechnet Polens Vorzeigespringer Kamil Stoch zu den Flops dieser Saison zählt, ist auf den ersten Blick sehr kurios und beinahe unfair. Immerhin wurde er Dritter im Gesamtweltcup, holte WM-Silber auf der Normalschanze, feierte zwei Einzelsiege und stand weitere sieben Male auf dem Podest. Eigentlich keine schlechte Saisonbilanz und bei jedem anderen Springer würde man zu Recht zu diesen Leistungen gratulieren. Aber eben nicht bei Kamil Stoch, dazu hat er in den vergangenen Jahren zu oft bewiesen, dass er doch eigentlich noch mehr kann. Daher war das, gemessen an seinem Anspruch, nicht die Saison des Kamil Stoch. Während er in den vergangenen Jahren von Sieg zu Sieg eilte und meist freudestrahlend vom Siegerpodest lächelte, sah man den dreifachen Olympiasieger in dieser Saison immer wieder mit sich selbst hadern. Es schien ihm in diesem Jahr die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit im Sprung verloren gegangen zu sein. Er sprang zwar meist auf gutem Niveau, musste dafür aber mehr tun, als in den vergangenen Jahren. Und so passierten ihm immer wieder Fehler und Ausrutscher. Wie beim Heim-Weltcup in Zakopane als er im Einzelwettkampf den zweiten Durchgang verpasste. Der 31-Jährige hatte sicherlich keine schlechte Saison, aber er hatte sie sich wahrscheinlich anders vorgestellt und so kann man ihn zu den Saison-Verlierern zählen.

Gesamtvierter und dennoch enttäuscht: Piotr Zyla

Ähnlich kurios fällt die Saisonbilanz bei Piotr Zyla aus. Als Vierter im Gesamtweltcup zählte er eigentlich zu den Besten des Winters und doch bleiben einem vor allem die schwachen Saisonhöhepunkte in Erinnerung. Das liegt vermutlich daran, dass er sein ganz starkes Niveau am Saisonbeginn mit fünf Podestplätzen aus den ersten sieben Einzelspringen nicht halten konnte. Als Mitfavorit zur Tournee angereist, wurde er nur 19. Es sollte bis zum Weltcup in Willingen dauern, bis er wieder auf das Podest sprang. Dazwischen hatte er aber auch etwas Pech, als er viermal in Folge Vierter wurde. Pünktlich vor der WM schien die Form aber wieder da zu sein. Doch auch der zweite Saisonhöhepunkt verlief enttäuschend: Rang 19 auf der Großschanze, Rang 33 auf der Normalschanze und auch im Mannschaftsspringen gab es diesmal keine Medaille. Während seine Teamkollegen Kubacki und Stoch im Finale auf der Normalschanze mit einer Aufholjagd zu Medaillen sprangen, musste er als 33. zuschauen. Nach einer ebenfalls enttäuschenden Raw-Air-Tournee mit Rang 17, schaffte es der 32-Jährige beim Saisonfinale nochmal auf Rang drei und vier. Damit bewies er zwar nochmal seine Konstanz und sicherte sich den vierten Platz im Gesamtweltcup. Am Ende rettete es seine Saison aber nur bedingt, weil er bei den Großereignissen konsequent patzte.

„Aua, Norge!“: Team Norwegen mit Bruchlandung

Deutlich größere Sorgen müssen sich in jedem Fall die Norweger machen. Deren Saison verlief nämlich definitiv nicht nach Plan. Zwar schafften es mit Robert Johansson als Sechster und Johann Andre Forfang als Achter zwei Springer unter die Top Ten im Gesamtweltcup, doch die großen Erfolge blieben in dieser Saison aus. Im Dezember gab Trainer Alexander Stöckl in einem Interview den Sieg bei der Vierschanzentournee oder der „Raw Air“ als großes Ziel aus. Aus beidem wurde nichts. Bei der Tournee sorgte Andreas Stjernen mit Rang vier in Oberstdorf für einen vielversprechenden Auftakt, doch schon nach dem Neujahrsspringen war klar, dass die Norweger nicht mit Kobayashi und Eisenbichler würden mithalten können. In Innsbruck sprang Stjernen als Dritter immerhin aufs Podest, am Ende reichte es als bester Norweger zu Rang sieben in der Gesamtwertung, direkt vor Robert Johansson. Ein Sinnbild für die Saison, die Wikinger waren zwar in der erweiterten Weltspitze dabei, für ganz vorne reichte es aber selten. Das ist aber der Anspruch im erfolgsverwöhnten Mutterland des nordischen Skisports.

Die WM verlief dann ebenfalls schwach. Rang sieben und acht durch Forfang und Johansson auf der Großschanze und Rang 16 als bestes Ergebnis auf der Normalschanze. Viel bitterer war aber sicherlich der fünfte Platz im Mannschaftsspringen und das als amtierender Olympiasieger. So blieb nur eine „halbe“ Bronze-Medaille im Mixed-Team, vor allem dank der überragenden Maren Lundby. Aber ein großes Highlight gab es ja noch: Die Raw-Air-Tour im eigenen Land. Auf die sich die Norweger speziell vorbereitet hatten. Zunächst schien der Plan aufzugehen: Robert Johansson gewann direkt den Prolog in Oslo. Am Samstag folgte der Sieg im Mannschaftsspringen, in dem Johansson einen beeindruckenden Schanzenrekord von 144 Meter am Holmenkollen aufstellte. Am Sonntag gewann der damals 28-Jährige auch den Einzelwettkampf und ging als Führender nach Lillehammer. Dort riss jedoch die Erfolgssträhne. Auf einen achten Platz im Prolog folgte zwar ein zweiter Platz im Wettkampf, doch es wurde ersichtlich, dass der Norweger wieder nicht mit den Top-Stars Kraft und Kobayashi mithalten kann. Am Ende wurde Johansson Dritter in der Raw-Air-Wertung. Damit schaffte er es zum zweiten Mal in Folge aufs Podest, das Ziel des Gesamtsieges verfehlte er jedoch. Ein Highlight gab es aber dann doch noch: Andreas Stjernen holte im heimischen Trondheim bei seinem letzten Weltcupspringen einen unerwarteten zweiten Platz und sorgte für große Emotionen! Es war eines der wenigen in einer für die Norweger enttäuschenden Saison.

Eine Saison zum Vergessen für den Olympiasieger: Andreas Wellinger

Viele deutsche Skisprung-Fans hofften, dass Andreas Wellinger dort weitermacht, wo er vergangene Saison mit dem Olympiasieg aufgehört hatte. Dementsprechend lag der Fokus zu Saisonbeginn voll auf ihm. Doch schon beim ersten Weltcup gab es die erste Enttäuschung. Nach schwacher Qualifikation wurde er in Wisla nicht für das Teamspringen nominiert. Das erste Mannschaftsspringen der Saison ohne den Olympiasieger, das war schon ein kleiner Paukenschlag. Im Einzelspringen wurde er dann immerhin Elfter. In Ruka ging es weiter bergauf. Rang neun am Samstag und dann ein zweiter Platz am Sonntag. Der 23-Jährige zeigte, dass er das Springen über den Sommer nicht verlernt hatte. Doch was da noch keiner ahnen konnte: Es sollte einer der ganz wenigen Lichtblicke der Saison bleiben. Zwar sprang er anschließend in Nizhny Tagil und Engelberg dreimal in die Top 15, doch von einem Olympiasieger wurde eigentlich mehr erwartet. Der große Knall kam dann aber beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf: Rang 39 und das Aus im ersten Durchgang. In Garmisch-Partenkirchen verpasste er erneut den zweiten Durchgang, durfte aber dennoch mit dem Tournee-Tross weiterreisen. Doch er fand nie wirklich in den Rhythmus. Auf einzelne gute Sprünge folgte immer wieder ein Rückschlag. Bei der WM wurde er nach solidem Training für den Großschanzen-Wettbewerb nominiert, schied aber im ersten Durchgang aus. Und weil er auch auf der Normalschanze nicht überzeugen konnte, blieb dies sein einziger WM-Einsatz. Die Saison beendete er mit einem 20. Platz in Planica und Rang 18 im Gesamtweltcup und damit deutlich hinter den eigenen Ansprüchen.

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Über Jonas Klinke 12 Artikel
Seit Februar 2017 im Team von skispringen.com. Verfolgt Wintersport und insbesondere Skispringen seit Kindertagen. Studiert neben seiner Tätigkeit für skispringen.com an der Hochschule Darmstadt und engagiert sich für das Bürgerradio Antenne Bergstraße.

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