Ein 22-jähriger Japaner springt allen davon, die slowenischen Nachwuchshoffnungen mischen den Weltcup auf. Doch auch die etablierte Elite aus Deutschland und Polen überzeugt. Wir analysieren: die Tops & Flops aus Kuusamo.
Vor gut zwölf Monaten war es noch Bruder Junshiro gewesen, der mit seinem Sieg beim damaligen Weltcup-Auftakt in Wisla die Skisprung-Welt ins Staunen versetzt hat. Seine gute Verfassung wusste der 27-Jährige damals zu konservieren und konnte auch bei der Vierschanzentournee überzeugen.
Seine Rolle als japanischer Vorflieger aber ist er spätestens seit dem vergangenen Wochenende los, auch wenn diese in der Familie bleibt: Ryoyu Kobayashi ist nach seinem Doppelerfolg in Kuusamo derzeit die heißeste Nummer im Weltcupzirkus der Skispringer. Ließ er schon vor einer Woche als Dritter in Wisla mit dem ersten Podestplatz seiner Karriere aufhorchen, gelang ihm nun der ganz große Wurf: Sowohl beim im auf einen Durchgang gekürzten Wettbewerb am Samstag als auch am Sonntag ließ er die Konkurrenz um den Gesamtweltcup-Sieger Kamil Stoch hinter sich, wodurch er nun auch die Weltcup-Gesamtwertung nach drei Wettbewerben mit 260 Punkten klar vor dem Polen (190) anführt.
Mehr als eine Eintagsfliege
Insbesondere den zweiten Wettkampftag nutzte Kobayashi zu einer beeindruckenden Flugshow, welche den Schluss zulässt, dass seine bestechende Form von längerer Dauer sein dürfte als der kurzfristige Höhenflug einer Eintagsfliege. Mit satten 22 Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten Andreas Wellinger düpierte der Japaner das restliche Feld regelrecht, obendrein sprang er im zweiten Versuch mit 147,5 Metern Schanzenrekord. Die Weltelite hatte Kobayashi im Norden Finnlands fest im Griff. „Er ist momentan beim Absprung der Stärkste des ganzen Feldes, der hat sich angemeldet und der wird sich nicht mehr so schnell wieder abmelden“, sagte Bundestrainer Werner Schuster über den japanischen Senkrechtstarter.
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Auch wenn gegen den alles überragenden Kobayashi für Andreas Wellinger letztendlich nichts auszurichten war, so konnten auch die DSV-Adler mit einem dennoch positiven Gefühl die Heimreise antreten. Der zweite Platz von Wellinger bedeutete das zweite Einzelpodest in diesem Winter, nachdem sich bereits Stephan Leyhe in Wisla nur dem Russen Klimov hatte geschlagen geben müssen. Dass der Willinger nun auch in Ruka wieder kräftig Weltcuppunkte sammelte und mit Rang sechs am Sonntag die nächste Top-Ten-Platzierung einfuhr zeigt, dass er sich auf dem besten Weg befindet, sich in der absoluten Weltspitze zu etablieren. Gleiches gilt für Karl Geiger, der mit den Plätzen fünf und acht ebenfalls einen großen Anteil am mannschaftlich starken Abschneiden der Deutschen hatte.
Comeback des Weltmeisters
Mit Wellinger, Leyhe und Geiger weiß Trainer Werner Schuster um drei Athleten in seinen Reihen, die in ihrer aktuellen Verfassung potenziell um Siege mitspringen können. Für Richard Freitag und Markus Eisenbichler gilt dies nach den Eindrücken aus Finnland noch nicht, beide verfehlten trotz ordentlicher Vorstellungen die Top Ten.
So gab neben Wellingers Podestplatz vor allem das langersehnte Comeback von Severin Freund Anlass zur Freude im DSV-Lager: Nach fast zweijähriger Verletzungspause feierte der 30-Jährige die Rückkehr in den Weltcupzirkus und durfte sich nach Platz 29 am Samstag prompt über die ersten beiden Weltcuppunkte des Winters freuen. Auch wenn er am darauffolgenden Tag den Finaldurchgang als 31. hauchdünn verpasste, zeigte sich: Freund kann trotz der langen Pause wieder mithalten. „Darauf kann er aufbauen“, urteilte Bundestrainer Schuster. Der Weltmeister von 2015 zählt zu den Gewinnern von Kuusamo.
Stark, aber nicht unschlagbar
Übertroffen wurde die mannschaftlich geschlossene Vorstellung der DSV-Adler nur von den Polen. Nach dem Auftaktsieg im Teamwettbewerb von Wisla untermauerten die Schützlinge von Trainer Stefan Horngacher einmal mehr, dass die Polen auch in diesem Winter jene Nation sind, die es zu schlagen gilt. Kamil Stoch sprang nach Platz vier in der Vorwoche nun zweimal aufs Podest und unterstrich, dass es ihm offensichtlich gelungen ist, seine Verfassung aus der Gala-Saison 2017/18 über den Sommer hinweg zu konservieren. Aber: Auch „König Kamil“ ist nicht unschlagbar, zumindest am zweiten Wettkampftag hatte auch er Ryoyu Kobayashi nichts entgegenzusetzen.
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Hinter Stoch präsentierte sich auch Piotr Zyla in toller Form, mit den Plätzen drei und fünf rundete er eine überzeugende Teamleistung der Polen ab. Gemeinsam mit Jakub Wolny (11. und 13.) und Dawid Kubacki bilden sie das momentan wohl stärkste Quartett im Weltcupzirkus. Zu diesem konnte sich einst auch Maciej Kot zählen, doch auch in Ruka sprang der 27-Jährige der Form seiner besten Tage hinterher und blieb ohne Weltcuppunkte.
Slowenische Küken auf dem Sprung
Die Leistungen der Polen in allen Ehren, doch waren die neuerlichen Top-Resultate freilich wenig überraschend. Anders die Vorstellung der slowenischen Mannschaft im hohen Norden. Unter dem neuen Cheftrainer Gorazd Bertoncelj scheint das Team nach einem schwachen Winter zurück in die Spur zu finden. Insbesondere der Nachwuchs sprang sich in Kuusamo in den Vordergrund: Domen Prevc, in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig zwischen den Extremen pendelnd, überzeugte mit zwei vierten Plätzen. Ebenso aufhorchen ließ der erst 18-jährige Timi Zajc als Siebter und Elfter. Seine ersten Weltcuppunkte sammelte der ein Jahr jüngere Zak Mogel, er platzierte sich an beiden Tagen und den besten 30. Auch Anze Lanisek, 22, trug als Zehnter und 21. zu einem bemerkenswerten Mannschaftsresultat bei. Das Kuusamo-Wochenende zeigt: Im slowenischen Team tummeln sich gleich mehrere Jungspunde, die sich anschicken, kurz- bis mittelfristig an die großen Erfolge eines Peter Prevc anzuknüpfen.
Eher ernüchternd verlief das Wochenende für zwei andere große Skisprung-Nationen. Während auf Seiten der Norweger einzig Robert Johansson (7. und 8.) und Johann Andre Forfang (9. und 13.) halbwegs zu überzeugen wussten, sprang der Rest des Teams um Daniel-André Tande und Anders Fannemel nur hinterher. Nach dem verpatzten Team-Wettkampf von Wisla setzte sich der Stotterstart der Truppe um Cheftrainer Andreas Stöckl, im vergangenen Winter noch Gewinner des Nationencups, nun fort.
Kleine Schritte
Nicht viel besser präsentierten sich die österreichischen Skispringer. Stefan Kraft sorgte am Sonntag als Zehnter für die einzige Top-Ten-Platzierung des Wochenendes, wobei er mit seinem zweiten Sprung auf 139 Meter nachwies, dass er nach wie vor mit der Weltspitze mithalten kann. Dennoch dürfte der Blick auf die Ergebnistafel bei Cheftrainer Andreas Felder keine Jubelstürme ausgelöst haben: Gregor Schlierenzauer verpasste nach einem guten zwölften Platz am Vortag die Qualifikation für den Finaldurchgang im zweiten Einzelspringen, Michael Hayböck blieb gänzlich ohne Weltcuppunkte. Die Leistungen von Daniel Huber, Manuel Fettner und Philipp Aschenwald, welche allesamt Top-20-Platzierungen einfahren konnten, lassen immerhin auf eine schrittweise Entwicklung der Mannschaftsstärke hoffen. „Wir stolpern uns langsam vorwärts“, lautete die Bilanz von Andreas Felder.
Nur eine Eintagsfliege?
In Wisla noch der gefeierte Held, holte das Kuusamo-Wochenende den Russen Evgeniy Klimov zurück auf den Boden der Tatsachen. Nach seinem Premierensieg schien das Gelbe Trikot doch zu schwer auf den Schultern des 24-Jährigen zu lasten, in beiden Wettbewerben erzielte er insgesamt magere fünf Weltcuppunkte.
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Klimov, Sieger des Sommer-Grand-Prix und nach seinem Triumph von Wisla scheinbar auf dem besten Weg an die Weltspitze, zählt zu den Verlierern von Kuusamo. Bei seinem Heimweltcup in Nischni Tagil am kommenden Wochenende wird sich zeigen, wie stabil die Form des Russen wirklich ist.
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