Das Weltcup-Jahr 2019 der Skispringerinnen wird am kommenden Wochenende auf der Okurayama-Großschanze in Sapporo eröffnet. Bevor es losgeht, blickt skispringen.com noch einmal auf die Tops & Flops des Dezember zurück.
Klar: Man erinnerte sich schon noch ans Vorjahr, als Katharina Althaus die Premierenausgabe des Lillehammer Triple gewann. Doch so recht begreifen mochte man die Duplizität der Ereignisse am ersten Dezemberwochenende dann irgendwie doch nicht. Zu turbulent waren die Tage zuvor und man stand noch unter den Eindrücken der Premierensiege von Althaus‘ Teamkollegin Juliane Seyfarth und der gerade einmal 17-Jährigen Lidiia Iakovleva.
Althaus selbst sagte vor der Saison: „Ich weiß noch nicht so recht, wo ich im Vergleich mit der Weltelite stehe.“ Dabei hätten es doch alle wissen können. Schanzenrekord beim letzten Sprung des Wochenendes und der damit verbundene Tages- und Gesamtsieg: Das war schon 2017 das Erfolgsrezept der Oberstdorferin. Und frei nach dem bekannten Ausspruch des Butlers James aus dem ewig jungen Silvesterklassiker „Dinner for one“: „Same procedure as last year?“, wiederholte Althaus ihren Siegeszug. Makellos ist ihre Bilanz freilich nicht, stand sie doch bei den ersten beiden Springen nicht auf dem Podium. Doch stand sie auf dem Podium, gewann sie auch – wie in den beiden Springen am vergangenen Wochenende in Premanon.
Premieren über Premieren
Für die Franzosen war es in dreifacher Hinsicht eine Premiere: Erstmals fand in ihrem Land ein Weltcup der Skispringerinnen statt, erstmals im Jura-Gebirge und erstmals auf der neuen Schanze. Von Lampenfieber oder Startschwierigkeiten war hier jedoch keine Spur. Der Schnee kam gerade rechtzeitig, die neu gebaute Schanze war perfekt präpariert und auch das Wetter spielte mit. Von allen Seiten gab es positives Feedback. Jedoch, so skurril es klingen mag: Dieser Weltcup war „lediglich“ die Generalprobe für die im Jahr 2020 stattfindenden Youth Olympic Winter Games, die von der Schweizer Grenzstadt Lausanne ausgetragen werden. Da es dort jedoch keine taugliche Schanze gibt, fragte man bei den französischen Nachbarn nach, die gern bereitstehen.
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Blickt man ein paar Tausend Kilometer nach Osten, stellte sich im größten Land der Welt vor allem eine Frage: Wer wird während der Pause von Irina Avvakumova die Leaderin des russischen Teams? Im Sommer gab es vor allem nach überzeugenden Auftritten während des Heim-Grand-Prix in Tschaikowski gute Gründe sein Geld auf Aleksandra Barantceva zu setzen. Deren Saisonstart mutierte allerdings zu einer echten Nullnummer; sie sprang in keinem der fünf Springen in die Punkte. Zu allem Überfluss wurde sie zweimal in der Qualifikation (einmal in Lillehammer und einmal in Premanon) disqualifiziert. Besser machten es da schon Sofia Tikhonova und Alexandra Kustova, die beide schon Top-Ten-Platzierungen einfuhren.
Rookie Iakovleva stürmt in die Weltspitze
Doch für echte Furore sorgte eine junge Dame aus Sankt Petersburg, die am zweiten Tag in Lillehammer bei ihrem vierten Weltcupspringen den ersten Sieg einfuhr: Lidiia Iakovleva. Völlig unbekümmert, mit sauberer Technik und vor allem konstant präsentierte sich die Russin in ausnahmslos jedem Wettbewerb und ließ so auf der Lysgards-Normalschanze alle großen Namen hinter sich – auch Olympiasiegerin Maren Lundby und Sara Takanashi, die beide noch auf ihren ersten Sieg in dieser Weltcupsaison warten. Und so rangiert Iakovleva während der Weihnachtspause im Gesamtweltcup auf Rang drei, knapp hinter Lundby und vor Takanashi.
Iakovlevas Sieg war, wie auch der von Juliane Seyfarth und der Verlauf des Lillehammer Triple an sich ein Zeugnis davon, was sich insbesondere in den letzten beiden Jahren im Damen-Skispringen getan hat. Die Dichte im Feld ist noch größer geworden. Eine Leistung, die im Jahr 2016 vielleicht noch für die Top 15 reichte, reicht heute vielleicht gerade einmal für Punkte – gerade auf Normalschanzen. Das mussten auch einige etablierte Athletinnen ertragen; so verpassten etwa die beiden Österreicherinnen Chiara Hölzl und Jacqueline Seifriedsberger in Lillehammer jeweils einmal das Finale.
Die „Kleinen“ tun sich schwer
Besonders hart trifft diese Leistungsexplosion die Teams, die noch nicht so lange im Weltcup unterwegs sind und noch nicht – vor allem auf Dauer – auf dem Niveau der Anderen sind. 18 verschiedene Nationen waren bislang in den fünf Weltcupspringen am Start (Rekord), zwölf von ihnen sprangen in die Punkte. Damit bewegt man sich zwar noch im Schnitt, die Punkteausbeute ist jedoch geringer als zu vergleichbaren Zeitpunkten der Vorsaisons. Teams wie Tschechien oder Kasachstan, die im Sommer zumindest eine konkurrenzfähige Springerin hatten, tun sich auf Schnee (noch) enorm schwer.
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Dass ein Land wie Polen, in dem Skispringen einer Religion gleichkommt, keine Springerin in der absoluten Weltspitze (meint: in den Punkterängen) hat, überrascht nicht. Gerade einmal vier Zähler holten polnische Skispringerinnen (zwei an der Zahl) im Weltcup bis dato. Aus mittlerweile sieben beendeten Saisons mit insgesamt 111 Wettkämpfen; nimmt man die fünf aus der laufenden Saison dazu, erhöht sich diese Zahl sogar auf 116.
Viele fallen durchs Raster – oder durch die Materialkontrolle
Und es ist nicht davon auszugehen, dass es in Zukunft einfacher wird. Auch, weil die Teilnehmerzahl angestiegen ist. So waren im Dezember immer mindestens 60 Springerinnen am Start, wovon es ja nur 40 überhaupt in den ersten Durchgang schaffen. Der Teilnehmerrekord datiert indes vom 20. Dezember 2013, als in Hinterzarten 70 Teilnehmerinnen in der Qualifikation antraten. Noch weiter erschwert haben sich einige Springerinnen im Dezember ihren Weg durch eigene Unachtsamkeiten. Schon im Sommer hatte die FIS angekündigt, bei der Materialkontrolle noch strenger am Reglement zu arbeiten und prompt schnellte die Zahl der Disqualifikationen in die Höhe.
In Lillehammer gab es eine Flut von insgesamt 15, in Premanon waren es dann nur noch deren drei. Auch vor großen Namen machten die Kontrolleure nicht Halt und so zogen sie auch Sara Takanashi (am zweiten Tag in Lillehammer) und Daniela Iraschko-Stolz (am Samstag in Premanon) aus dem Verkehr. Die Österreicherin schrieb im Nachgang auf Facebook in ihrer unnachahmlichen Art: „Wollte heute nicht sein, durch einen dummen Fehler die Chancen aufs Podest zunichtegemacht. Morgen einfach intelligenter sein, dann passt das.“ Manche fielen gar mehrmals ins Netz der Fahnder, wie Kinga Rajda aus Polen (zweimal in Lillehammer) oder die Tschechin Stepanka Ptackova. Letztere wurde bisher schon dreimal aus der Wertung genommen – immer in der Qualifikation.
Quo vadis, Nippon?
Eine überaus intelligente Entscheidung gab es indes vom japanischen Verband. Nachdem das Team um Sara Takanashi jahrelang bei Springen in Europa fast ausnahmslos lediglich mit vier statt der maximal erlaubten sechs Athletinnen zugegen war, ist es heuer zu sechst unterwegs. In erster Linie wollte man sich den Nationencup zurückholen, den man im letzten Winter denkbar knapp um fünf Punkte an Deutschland abgeben musste. Zum anderen wollte man aber auch die Entwicklungsfortschritte der jüngeren Athletinnen, namentlich Nozomi Maruyama und Haruka Iwasa, belohnen. Doch diese Rechnung ging bislang nicht auf. Lediglich Platz sechs in der Rangliste und satte 562 Punkte Rückstand auf Deutschland sind die ernüchternde Bilanz für das Land der aufgehenden Sonne.
Da kommen die beiden anstehenden Heimweltcups in Sapporo und Zao gerade recht. Dennoch bleibt vor allem der Auftritt des Teams in Lillehammer rätselhaft. Insbesondere Yuki Ito ist weit von der Form weg, in der sie sich in den letzten Jahren und auch im Sommer 2018 zeigte. Auch Sara Takanashi zeigte ungewohnte Schwächen und gar Fehler. So sprangen für die Japanerinnen lediglich ein Podestplatz, zwei Top-Ten-Resultate und magere 211 Punkte im Triple heraus. Zum Vergleich: Die Teams aus Deutschland, Slowenien und Norwegen (derzeit auf den ersten drei Plätzen im Nationencup) fuhren dort 646, 282, respektive 304 Punkte ein.
Die schlechten Nachrichten von auf und neben der Schanze
Und dann war da ja noch eine unbeabsichtigte Pause; am Wochenende zwischen den Springen in Lillehammer und Premanon. Zu warme Temperaturen und permanenter Nieselregen zehrten zunächst an den Nerven des Organisationskommitees und schließlich an den Schneereserven in Titisee-Neustadt, bis wenige Tage vor der Anreise der Teams die Nachricht kam: Der Weltcup ist abgesagt. Es war das unrühmliche Ende eines Wochenendes, das für die Skispringerinnen unter keinem guten Stern stand, schließlich wurde bereits Ende Juli das angesetzte Mixed-Springen abgesagt und durch ein Teamspringen der Herren ersetzt. Somit entfiel auch eine Art Generalprobe für die WM in Seefeld und es hätte auch nur noch ein Einzelwettkampf auf dem Programm gestanden – aber immerhin auf der für die Damen größten Schanze im Weltcup überhaupt. Doch auch das hat nicht sollen sein.
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Noch düsterer war da die zweite Dezemberhälfte. Drei Kreuzbandrisse und ein Todesfall schockten die Szene und wirken bis heute nach. Alles begann am 14. Dezember, als Gianina Ernst sich beim Continentalcup in Notodden das Kreuzband riss. Gleiches widerfuhr am selben Tag der Schwedin Frida Westman, wie sich später herausstellte. An Heiligabend folgte dann die nächste Hiobsbotschaft: Auch bei Ema Klinec wurde diese Verletzung diagnostiziert, nicht einmal zwei Wochen später dann auch noch bei der Kanadierin Abigail Strate und der Französin Julia Clair. Die schockierendste und traurigste Meldung kam aus Norwegen: Thea Sofie Kleven verstarb am 17. Dezember im Alter von gerade einmal 17 Jahren. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst zehn Tage später, es war ein großer Schock für die gesamte Skisprungfamilie.
Dennoch bleibt festzuhalten: Der Dezember hatte allerhand zu bieten und machte Lust auf mehr. Sicher kam nicht allen die ausgedehnte Weihnachtspause entgegen, doch die Saison ist noch lang – für die Damen so lang und vollgepackt wie noch nie – und die Kräfte, die man sammeln konnte, werden auch gebraucht. Auch die ein oder andere Feinjustierung wurde vorgenommen und soll sich nun bezahlt machen. Der Januar mit sechs Einzel- und einem Teamspringen wird genau dafür sicher ein guter Gradmesser sein – auch im Hinblick auf die im Februar anstehende WM in Seefeld.
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