Tops & Flops

Karl Geiger kaschiert deutsche Sorgenfalten vor der Vierschanzentournee

Karl Geiger holt sensationell seinen ersten Weltcupsieg, Ryoyu Kobayashi schwingt sich zum Top-Favoriten für die Vierschanzentournee auf. skispringen.com analysiert das zurückliegende Engelberg-Wochenende.

Die Sprache verschlagen hatte es ihm nicht, und doch fiel es Karl Geiger unmittelbar nach dem großen Triumph sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden: „Unbeschreiblich. Ich bin mega happy, dass mir der Wettkampf so extrem gut gelungen ist. Einfach nur geil.“ Seine Äußerungen am ‚ZDF‘-Mikrofon, getätigt in der kurzen Phase zwischen Wettkampfende und Siegerehrung, lassen erahnen, was in dem 25-Jährigen in diesen Minuten des Glücks vorgegangen sein mag.

Mit einem großartigen Sprung auf 141 Meter hatte Geiger kurz zuvor die gesamte Konkurrenz düpiert und sich vom fünften Platz noch auf die Spitzenposition katapultiert. „Der zweite Sprung war einer der besten, die ich je gezeigt habe“, war der Oberstdorfer überglücklich, dass ihm endlich einmal zwei gleichwertig starke Sprünge innerhalb eines Wettkampfes gelungen waren. Mit seinem Premierensieg im Weltcup sorgte Geiger am Samstag nicht nur für den ersten deutschen Erfolg in diesem Winter, sondern ist zudem auch klammheimlich in die Rolle der Nummer eins im Team von Werner Schuster geschlüpft. Mit den Plätzen eins und vier war er in Engelberg der mit Abstand beste DSV-Adler, auch die Weltcup-Gesamtwertung, wo er ebenfalls Platz vier belegt, weist ihn als derzeit stärksten deutschen Skispringer aus.

„Es hat diesen Knotenlöser gebraucht“

Kurz vor Tourneestart ist Geiger der Hoffnungsträger einer deutschen Mannschaft, deren Leistungen in der Schweiz die gesamte Bandbreite von hellleuchtendem Licht bis zu tiefdunklen Schatten abdeckten. Für gute Stimmung sorgte neben Geiger vor allem die Performance von Stephan Leyhe, der seine prima Verfassung mit den Plätzen sechs und elf erneut bestätigte. Olympiasieger Andreas Wellinger hingegen blieb als 14. am Samstag und 24. am Sonntag hinter den Erwartungen zurück. Markus Eisenbichler sorgte am zweiten Wettkampftag als Sechster für ein echtes Ausrufezeichen, nachdem ihm der Vortag inklusive des Ausscheidens im ersten Durchgang noch komplett missraten war. „Es hat diesen Knotenlöser gebraucht. Jetzt haben wir eine Option mehr, um bei der Tournee für Furore sorgen zu können“, zeigte sich Bundestrainer Schuster erfreut.

Schusters Sorgenkinder

Sorgen hingegen bereiten die einstigen Vorflieger Severin Freund und Richard Freitag. Der nach zwei Kreuzbandrissen widergenesene Freund kommt nach seiner langen Verletzungspause noch nicht richtig in Fahrt und blieb in Engelberg ohne Weltcuppunkte. Freitag hingegen laboriert nach seiner missglückten Landung im Probesprung des ersten Wettkampftages möglichweise mit derselben Verletzung, die er sich vor einem knappen Jahr bei der Vierschanzentournee in Innsbruck zugezogen hatte. Am Sonntag blieb er deshalb am Boden. „Es hätte keinen Sinn gemacht, heute zu springen. Ich hoffe, dass wir ihn bis zur Tournee hinkriegen“, sagte Schuster.

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Während der deutsche Bundestrainer froh sein dürfte, dass ihm bis zum Auftakt in Oberstdorf noch einige Tage zur Vorbereitung bleiben, könnte es für Ryoyu Kobayashi wohl schon morgen losgehen. Der Überflieger der bisherigen Saison war auch in Engelberg einer der überragenden Athleten. Insbesondere am Sonntag, als er mit seinem ersten Sprung den Schanzenrekord von 144 Metern egalisierte und am Ende souverän seinen vierten Saisonsieg einfuhr, zeigte er sich einmal mehr in beeindruckender Verfassung. „Ich bin überrascht von meiner Performance in diesem Winter, aber es ist seit Jahren mein Ziel, solch konstante Leistungen zu zeigen“, sagte der Japaner nach dem neuerlichen Erfolg. Dass es am ersten Wettkampftag „nur“ zum siebten Platz reichte und der 22-Jährige damit erstmals in dieser Saison nicht auf dem Podest stand, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass er als absoluter Top-Favorit zur Vierschanzentournee fährt.

Zyla und Stoch in Lauerstellung

Beim Kampf um den goldenen Adler wird er es unter anderem wohl mit Kamil Stoch und Piotr Zyla zu tun bekommen. Die beiden Polen zeigten, dass mit ihnen beim ersten Saisonhighlight ebenso zu rechnen ist. Vor allem Zyla überzeugte mit zwei zweiten Plätzen, Stoch rundete als Dritter am Sonntag ein hervorragendes polnisches Mannschaftsergebnis ab. Im Hinblick auf die Vierschanzentournee gibt sich der Vorjahressieger gelassen: „Ich bin sehr entspannt. Die jüngeren Athleten haben dort mehr Druck als ich.“ Auch wenn Kobayashi derzeit nur schwer zu schlagen sein scheint: Stoch, in diesem Winter noch ohne Sieg, wird nicht vergessen haben, dass sein letztjähriger Auftaktsieg in Oberstdorf damals gleichzeitig seinen ersten Saisonerfolg bedeutete. Der Rest ist bekannt.

Ein großes Fragezeichen

Ein Wechselbad der Gefühle erlebte Team Österreich. Angesichts der bisherigen, doch arg durchwachsenen Vorstellungen mutete der Samstag wie ein echter Befreiungsschlag an. Stefan Kraft als Achter und Michael Hayböck als Zehnter platzierten sich unter den Top Ten, für die Kirsche auf der Torte sorgte Daniel Huber (Dritter) mit seinem erstmaligen Sprung aufs Podest. Doch der Euphorie sollte am Folgetag schnell die Ernüchterung folgen. Überraschungsmann Huber qualifizierte sich nicht einmal mehr für den Wettkampf, Kraft, am Ende Zwölfter, sollte der einzige Österreicher bleiben, der die Ausscheidung des ersten Durchgangs überstand. Dass Potenzial vorhanden ist, bewies der erste Wettkampftag. Unter dem Strich hinterließ die Mannschaft von Andreas Felder in Engelberg jedoch ein großes Fragezeichen.

Stöckl sucht seinen Vorflieger

Gegen eine aussichtsreichere Ausgangslage kurz vor dem Tourneeauftakt hätten wohl auch die Norweger nichts einzuwenden. Doch für das Team um Trainer Alexander Stöckl brachte auch das Engelberg-Wochenende ergebnistechnisch keinen entscheidenden Impuls. Am besten verkaufte sich Johann Andre Forfang als Vierter und 15., doch die Tatsache, dass die Norweger an beiden Tagen insgesamt nur zwei Top-Ten-Platzierungen für sich verbuchen konnten, zeigt, dass auf Stöckl bis zur ersten Tourneestation in Oberstdorf noch eine Menge Arbeit wartet. Einen Favoriten auf den Gesamtsieg beim Traditionsereignis sucht man im norwegischen Lager heuer vergebens.

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Ob es dort diesmal ein vermeintlicher Außenseiter sein wird, welcher für Furore sorgen kann? Evgeniy Klimov jedenfalls scheint nach seinem Auftaktsieg in Wisla und dem zwischenzeitlichen Tief wieder zurück zu alter Stärke gefunden zu haben. Die Plätze fünf und acht zeigen, dass der Russe nach wie vor in der Lage ist, um die vorderen Ränge mitzuspringen. Wie weit ihn dies bei der Tournee führen wird, steht freilich auf einem anderen Blatt geschrieben. Klimov ist ob seiner schwankenden Leistungen schwer einzuschätzen, außer Acht lassen sollte man ihn nicht.

Seine Rückkehr in den Weltcup feierte der Slowene Peter Prevc. Nach langer Verletzungspause erreichte er am Sonntag gar den zweiten Durchgang und konnte als 16. die ersten Weltcuppunkte der Saison einfahren.

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Über Sebastian Theuner 16 Artikel
Seit Dezember 2013 im Team von skispringen.com. Hat bereits seit dem Kindesalter ein Faible für das Schreiben und den (Skisprung-)Sport. War und ist bei verschiedenen Tages-, Wochen- und Fachzeitungen als Praktikant und freier Mitarbeiter tätig. Studiert an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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