Tops & Flops

Gewinner und Verlierer der 69. Vierschanzentournee in der Analyse

Foto: imago / GEPA

Auch bei ihrer Ausgabe 2020/2021 hat die Vierschanzentournee auf ihrene eigene Art und Weise für Geschichten gesorgt. Traditionell gab es auf und neben der Schanze vieles zu berichten. skispringen.com analysiert die Tops & Flops.

Dass die 69. Vierschanzentournee in die Geschichte eingehen würde, stand schon vor dem Auftaktspringen in Oberstdorf fest. Zu außergewöhnlich, in der Tournee-Geschichte gar ungesehen, waren die Umstände, die das Coronavirus mit sich brachte. Selbst an lauen Sommertagen ist in den vier Arenen zu Füßen der Schanzen mehr los als heuer beim bedeutendsten Skisprungereignis und doch gibt es eine Menge, auf das es sich zurückzublicken lohnt. skispringen.com listet in gewohnter Tradition die Tops & Flops der Tournee.

Der größte Gewinner ist das Skispringen an sich, denn es bewies, dass auch in Pandemiezeiten das öffentlichkeitswirksamste Skisprungevent überhaupt stattfinden kann. Freilich fehlte an allen Orten das Publikum, das für Gänsehautmomente verantwortlich ist. Doch allein die Tatsache, dass diese länderübergreifende Tournee unter diesen Umständen ausgetragen wurde, war ein gutes Zeichen. Mit Ausnahme der turbulenten 24 Stunden vor dem Auftakt in Oberstdorf, in denen das unschuldige polnische Team ins Zentrum eines Corona-Chaos geriet, lief soweit auch das allermeiste glatt.

„König Kamil“ macht die Tournee zu seinem Wohnzimmer

Zum Sieger unter den Sportlern machte sich endgültig mit seinem Tageserfolg in Bischofshofen Kamil Stoch. Der Pole feierte am Laideregg seinen dritten Tournee-Triumph und zog damit mit Helmut Recknagel und Björn Wirkola gleich, die den goldenen Adler ebenfalls drei Mal mit nach Hause nehmen durften. Eigentlich hatte der 33-Jährige vor der Saison die Goldmedaille bei der Skiflug-WM als Saisonziel ausgerufen, schließlich ist dies der einzige große Erfolg, den er in seiner so glanzvollen Karriere noch nicht feiern konnte.

Doch die Freude über diesen nicht geplanten Sieg war keineswegs schmaler: „Ich bin sehr glücklich über diesen Erfolg und vor allem darüber, wie sich die Arbeit, die ich bei dieser Tournee verrichtet habe, ausgezahlt hat“, sagte der 38-malige Weltcupsieger im ‚ZDF‘. Doch in seiner üblichen Bescheidenheit vergaß er es einmal mehr nicht, sich gleich danach auch bei seinen Unterstützern zu bedanken: „Das Team um uns herum hat einen großartigen Job gemacht und uns viele Möglichkeiten eröffnet, die wir dann nutzen konnten. Deshalb: Vielen Dank dafür!“

Dass er es in allen vier Springen in bemerkenswerter Konstantheit aber schaffte, den Absprung richtig zu treffen, mühelos in sein System zu gleiten und blitzsaubere Telemark-Landungen zu setzen, ist jedoch alleine sein Verdienst. Insbesondere in Sachen Stilistik ist er in einer eigenen Liga unterwegs – vier der fünf bestbenoteten Sprünge in dieser Saison lieferte er ab. Und auch von äußeren Umständen, wie dem Frust-Interview von Halvor Egner Granerud, ließ sich Stoch nicht beeindrucken. Er gab die Antwort stets auf der Schanze und gewann diese Tournee hochverdient.

Auch seine Landsleute lieferten bravourös ab. Dawid Kubacki sprang am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen nicht nur Schanzenrekord, sondern fuhr damit auch noch den Tagessieg ein. In Innsbruck wurde der Titelverteidiger Dritter und auch ein 15. Platz in Bischofshofen kostete ihn seinen dritten Platz in der Gesamtwertung nicht. Piotr Zyla stand mit ihm gemeinsam in Partenkirchen auf dem Podest als er Dritter wurde und fuhr mit Platz fünf sein zweitbestes Tournee-Gesamtergebnis ein. Und dann war da ja noch Andrzej Stekala, der wie Zyla bei drei der vier Springen in den Top Ten landete und damit Gesamtsechster wurde. Somit wurde auch klar: Polen ist das Team, das es in den Mannschaftswettbewerben zu schlagen gilt, will man ganz oben stehen.

Karl Geiger: „Das Maximum erreicht“

Eine turbulente, aber ebenso bemerkenswerte Vierschanzentournee liegt auch hinter Karl Geiger. Wurde im Vorfeld noch Markus Eisenbichler als heißester Kandidat aus deutscher Sicht auf den Triumph gehandelt, so setzte der Oberstdorfer mit dem Auftaktsieg auf seiner Heimschanze das erste Ausrufezeichen. Nach einem soliden Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen lag er zur Halbzeit auf Platz zwei, noch in Schlagdistanz. Doch dann gab es auch für den 27-Jährigen das Frusterlebnis: Ein verpatzter erster Durchgang am Bergisel und damit das Ende aller Titel-Träume.

Dass er aber ein Kämpfer ist, bewies Geiger mit einem starken Abschlussspringen, in dem er als Dritter seinen zweiten Podestplatz bei der Tournee einfuhr. „Es hat einige Gespräche gebraucht, aber er hat sich wieder auf seinen Sprung fokussiert und sein Programm abgespult. Besser als Platz zwei wäre auch mit einem besseren ersten Sprung in Innsbruck nicht drin gewesen, dazu ist Kamil in Innsbruck und Bischofshofen einfach zu gut gesprungen. Karl hat das Maximum erreicht“, bilanzierte Stefan Horngacher das Abschneiden seines besten Schützlings, dessen Start nach seiner Corona-Infektion noch bis zum Qualifikationstag in Oberstdorf am seidenen Faden hing.

Marius Lindvik: Der Unerschütterliche

Nach dem Geigers Sieg fuhr nicht etwa der Gesamtweltcupführende Halvor Egner Granerud als aussichtsreichster Norweger nach Garmisch-Partenkirchen, sondern Marius Lindvik. Der 22-Jährige hatte am Schattenberg mit Rang drei seinen zweiten Podestplatz in der laufenden Saison eingefahren – der Verzicht auf die Skiflug-WM in Planica zuvor schien sich voll und ganz auszuzahlen. Doch dann kam die Hiobsbotschaft: Zahnschmerzen machten einen Start im Olympiastadion unmöglich. „Er hatte einen Abszess hinter einem Weisheitszahn, der zu einer Entzündung und einer Kiefersperre geführt hat“, berichtete sein Trainer Alexander Stöckl nach der Operation, die noch am Silvestertag in Innsbruck stattfand.

Obwohl es seinem Springer „den Umständen entsprechend sehr gut“ ging, hielt der Österreicher die Wahrscheinlichkeit für einen Start Lindviks in Bischofshofen für „gering“. Doch trotz angeschwollenem Gesicht stürzte dieser sich die Paul-Außerleitner-Schanze herunter und belohnte sich selbst mit Platz zwei – und strahlte dabei die Überzeugung aus, die ihm vor der Skiflug-WM laut eigener Aussage noch gefehlt hatte. Wie schon in der vergangenen Saison, als mit den beiden Siegen in jenen Springen, die er nun verpasste, auf sich aufmerksam machte, war es also auch für ihn eine erneut außergewöhnliche Tournee.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer die Verlierer der zurückliegenden Vierschanzentournee sind und wie das Fazit des Corona-Konzepts ausfällt. Jetzt weiterlesen – Seite 2:

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Über Luis Holuch 539 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

21 Kommentare

  1. Eine richtig gute Analyse, die sich auf das Event konzentriert hat. Danke. Die „Nebengeräusche“, die hier auch teilweise in de Kommentaren zu finden sind, wurden doch komplett als Nebensache abgetan.
    Überhaupt sollten „wir“ hier auf das übliche Social Media Behaviour verzichten. Die Kommentare sollen sich am Sport orientieren.

    An das Team: Weiter so…ihr solltet viel mehr Leser haben

  2. Beträchtliche Teile der polnischen Fans für mich auch als Flop.
    Generell einige sehr schlechte Gewinner. So sympathisch die polnischen Springer, so unsympathisch Teile deren Fans. Egal ob hier oder auf einschlägigen Seiten.

  3. Stoch nervt so langsam richtig. Gerade in dieser Saison waren viele andere deutlich stärker und hätten es so mehr verdient gehabt…auch bei den Weltcupsiegen wird er Malyz bald überholen, selbst Schlieri ist nicht mehr außer Reichweite. Hatte gehofft das es mit 33 so langsam bergab geht, ich mag den Typen einfach nicht…

    • @Robi, wo liegt eigentlich Ihr Problem? Wieso nervt Kamil Stoch, weil er mit 33 Jahren immer noch solche Bilderbuch-Sprünge abliefert? Oder weil er auch nach so vielen Jahren immer noch erfolgreich ist? Wenn andere Springer deutlich stärker waren, wie Sie sagen, warum haben sie dann nicht gewonnen? Wahrscheinlich fehlte dann doch noch ein bisschen Konstanz und Klasse.
      Sie müssen ihn ja nicht mögen, aber Sie könnten wenigstens so fair sein und seine sportlichen Leistungen anerkennen.

      • Es gibt eben Leute oder Sportler die man nicht mag, die man unsympathisch findet…Soll vorkommen, meinst du nicht?…Demnach habe ichs ihm auch nicht gegönnt, der war in dieser Saison jetzt auch nicht sonderlich gut, aber immer wenns zur Tournee geht ist er auf den Punkt immer und immer wieder da…Wenn ich jdn. nicht mag oder unsympathisch finde dann gönne ich ihm auch nichts und mich ärgert auch das er bald Malysz einholen wird, den fand ich damals klasse, genauso wie Ahonen den er jetzt auch überholt hat…

          • Donnerwetter, jetzt hast es mir aber gegeben^^. Freu dich doch für deinen Stoch, ich hasse den halt, so ists eben…

          • Eher sind eure Reaktionen darauf äußerst grenzdebil. Ihr müsst an sich gar nicht darauf reagieren, aber selbst wenn, gibt halt verschiedene Meinungen und Ansichten. Kann man so hinnehmen ohne denjenigen dann dumm anzumachen oder zu beleidigen…

        • @Robi, das war jetzt nicht ich, die Sie als Schwachkopf bezeichnet hat. Das würde ich eventuell denken, aber nicht öffentlich posten. Hier scheint es noch eine Andrea zu geben.

          • Wie auch immer, hätte es Springern wie Geiger, Eisei oder Granerud geüwsncht um mal ein paar zu nennen, auch einem Kubacki von mir aus. Allen anderen quasi außer Stoch. Ist halt so…

            Jaja, eventuell würdest du es denken;-)…Kannst mich ruhig duzen..

          • Hier ist Namenklau und Verleumdung angesagt, hat man mit mir auch gemacht. Es geht ohne Registrierung zu leicht.

  4. dieses angebliche „gehate“ hat gar nicht stattgefunden.. wieder mal so eine erfindung der deutschen qualitätsmedien 😀

  5. Ich habe auf eine sportliche Einordnung der Vierschanzentournee seitens Skispringen.com gewartet. Grundsätzlich ist der Artikel gut, hat aber ein paar Schwächen aus meiner Sicht:

    1. Weißflog hat die Tournee 4 mal gewonnen (Ahonen 5 mal), Wirkola und Recknagel 3 mal. Und jetzt natürlich Kamil Stoch.

    2. Tops:

    – Kamil Stoch, da muss man nicht viel dazu sagen. Sowohl sportlich als auch menschlich der Sieger der Tournee
    – Stekala als Newcomer mit Platz 6 ein tolles Ergebnis und sehr gute Einzelwettkämpfe
    – Mit Abstrichen Geiger: Viel Licht aber auch viel Schatten. Dennoch konnte er sich im letzten Springen aufbäumen und die Tournee für sich mit Platz 2 auch positiv beenden. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass er in Innsbruck viel Glück hatte, dass er überhaupt im 2. Durchgang dabei war….ansonsten würde das Fazit hier anders ausfallen
    – R. Kobayashi: er kommt langsam wieder zurück und konnte mit Platz 6 unbemerkt eine gute Platzierung einfahren. Es bleibt spannend, ob er im Verlauf der Saison weitere Verbesserungen realisieren kann
    – Lindvik: Sportlich auf alle Fälle ein Gewinner! Hätte wahrscheinlich ohne die Erkrankung Stoch gut Paroli bieten können. Allerdings auch irgendwie eine der tragischen Figuren….
    – Das polnische Team: Unglaublich stark und einfach eine positive Truppe, die sich wunderbar ergänzt! Ohne den Wirbel um den positiven Corona-Test in Obersdorf wäre vielleicht sogar ein noch besseres Ergebnis drin gewesen. Hier würde ich Kubacki und Zyla in Obersdorf ein noch besseres Ergebnis zutrauen

    Flops:
    – Das restliche deutsche Team. Alle sind (auch mein Top Geiger) unter ihren Fähigkeiten zurückgeblieben. Irgendwie ist der Wurm drin. Zudem scheint das Verhältnis zwischen Freitag und Horngacher auch nicht das beste zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, dass auch in Tittisee Neustadt Freitag auch nicht dabei ist…
    – Granerud für mich der große Verlierer. Er muss noch viel lernen. Völlig unnötig, nach Innsbruck namentlich gegen Stoch zu provozieren, auch wenn die Reaktion auf das Interview danach überzogen war. Auch der Poker mit dem Gate und der anschließende 4. Platz muss man als Niederlage werten. Es bleibt spannend, ob er das abschütteln und wieder zur alter Stärke finden kann oder ob das länger an ihm nagt
    – Lanizek: für mich die tragische Figur. Von der Form her hätte er durchaus um den Tourneesieg kämpfen können, hat es aber schlichtweg mit dem Sturz und den Aussetzern nicht auf die Schanze bringen können. Hängt sicherlich auch mit der Unruhe im Team zusammen
    – Das österreichische Team: Auch hier wieder hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Hier scheint man vor allem die guten Trainingsleistungen nicht in den Wettkampf bringen zu können
    – Organisation in Obersdorf: Sehr unglücklich, dass die „Corona-Regeln“ nicht eindeutig formuliert waren und zum Teil unterschiedlich ausgelegt wurden, siehe polnisches, deutsches und russisches Team. Man hat dann noch zum Glück die Kurve bekommen. Man muss es nämlich klar und deutlich sagen: ohne die Polen dieses Jahr wäre der sportliche Wert der Tournee sehr zweifelhaft gewesen (4 Polen unter den Besten 6!)

    • @Lato
      Hallo, Lato. Sie müssen aus Polen sein, denn Ihr Nickname erinnert mich an den großartigen Fußballer Gzergoz Lato (hoffentlich so richtig geschrieben), einen Spieler aus den 1970ern. Ich teile Ihre Auswertungen. Kamil Stoch war doch schon aktiv, als der polnische Sportdirektor Malysz als aktiver Springer seine großen Erfolge eingefahren hat.. Meine Topfavoriten für en wm-Titel auf der Großschanze: Granerud und Stoch. Unser deutsches Team schwächelt, das ist nicht von der Hand zu weisen. Meine Topfavoriten für den Team-wM-Titel sind Polen und Norwegen.

  6. Weißflog hat viermal die Tournee gewonnen und nicht nur dreimal, wie oben genannt. Er stand 83/84, 84/85, 90/91 und 95/96 ganz oben.

  7. Die Art und Weise und vor allem die Härte mit der Granerud und seine Freundin für vergleichsweise harmlose Aussagen von den polnischen Fans gehatet wurde, war wohl auch ein Lowlight/Flop dieser Tournee

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