Nischni Tagil war das Wochenende der deutschen Skispringer: Zuerst siegt Freitag, dann Wellinger – und auch dahinter brilliert die DSV-Mannschaft. Andere Teams haben vier Wochen vor der Vierschanzentournee noch Aufholbedarf. Unsere Analyse.
DSV-Skispringer schon jetzt in Top-Form
Bundestrainer Werner Schuster sprach von „historisch“ nach dem zweiten Wettkampf im Rahmen des Weltcup-Wochenendes in Nischni Tagil. Einen deutschen Doppelsieg gab es im Weltcup gefühlt seit Ewigkeiten nicht mehr – und der Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Fast 16 Jahre ist es inzwischen her, als Stephan Hocke 2001 in Engelberg seinen einzigen Weltcupsieg vor Sven Hannawald gefeiert hat.
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Keine Frage, dass das Fazit nach dem Wochenende von Nischni Tagil aus deutscher Sicht positiv ausfällt. Mit dem Sieg von Richard Freitag am Samstag und dem Doppelsieg durch Andreas Wellinger und Freitag am Sonntag hat die Mannschaft von Bundestrainer Werner Schuster die Erwartungen nicht erfüllt, sondern übertroffen. „Andreas und Richard haben sich zu Höchstleistungen getrieben“, analysierte Schuster im ‚ZDF‘.
Keine drei Wochen ist die Weltcup-Saison also alt, da springt die deutsche Mannschaft in Höchstform auf. Und lassen Hoffnungen aufkommen für die Vierschanzentournee. „Es ist noch ein bisschen Zeit. Aber wir wollen diese gute Situation ausnutzen. Es ist sehr, sehr eng und wir müssen weiterarbeiten“, blickt der Bundestrainer auf die kommenden Wochen vor dem ersten Saisonhöhepunkt voraus.
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Den verletzungsbedingten Ausfall von Severin Freund haben Wellinger und Freitag ein klein wenig vergessen gemacht – und auch dahinter sieht es vielversprechend aus: Dass Markus Eisenbichler nach seinem Quali-Sieg beim zweiten Wettkampf am Sonntag am Podium schnupperte, fast für einen Dreifachsieg gesorgt hätte, und Karl Geiger zweimal souverän in die Top Ten flog, ging im Jubel fast unter.
Heim-Weltcup zum richtigen Zeitpunkt
Freuen können sich auch die deutschen Weltcup-Organisatoren, allen voran Titisee-Neustadt: Schon am kommenden Wochenende macht der Weltcup-Tross im Hochschwarzwald Station. Und die jüngsten Erfolge dürften sich nicht nur positiv auf den Ticketvorverkauf, sondern auch auf das allgemeine Interesse am Skispringen auswirken. „Für Neustadt wird es nicht so kompliziert, aber zur Tournee wird es sich – wenn es so weitergeht – ein bisschen etwas aufbauen. Da müssen wir eine gute Mischung finden, damit sich die Jungs in Ruhe aufbauen können“, so Werner Schuster im ‚ZDF‘.
Österreich: Die Hoffnungen ruhen auf Kraft – und Schlierenzauer
Okay, viel mehr aber nicht – so in etwa fällt das Fazit von Österreichs Chefcoach Heinz Kuttin nach dem Wochenende in Russland aus. In der Alpenrepublik wurde in der Vergangenheit immer wieder von „Siegspringern“ gesprochen, wenn es darum ging, das Potenzial der Mannschaft in Worte zu fassen. In Nischni Tagil konnte dieser Bezeichnung höchstens Stefan Kraft gerecht werden. Der Gesamtweltcup-Sieger des vergangenen Winters sorgte mit seinem dritten Platz am Sonntag für das zweite österreichische Einzel-„Stockerl“ der Saison . „Zum Glück haben wir das Podium geschafft, das war sehr wichtig für unser Team“, sagte Kuttin im Anschluss.
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Ordentlich präsentierte sich aus der ÖSV-Mannschaft neben Kraft nur Manuel Fettner, die anderen Athleten haben noch Arbeit vor sich. „Es gibt noch ein paar Stellen, wo wir arbeiten müssen. Auf der anderen Seite machen die Burschen einen sehr guten Job, weil sie bei der Sache sind. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich die Ergebnisse demnächst einstellen werden“, zeigt sich Heinz Kuttin zuversichtlich.
Nach Kuusamo war Nischni Tagil für die österreichische Mannschaft ein Aufwärtstrend. Ganz spurlos dürfte es an der Mannschaft aber nicht vorbeigehen, dass in Österreich geforderten Siege bislang ausgeblieben sind. Kuttins Vorgänger Alexander Pointner sprach schon nach dem Kuusamo-Wochenende in seiner Kolumne in der ‚Tiroler Tageszeitung‘ von einem „frühen Warnschuss“. So ruhen die österreichischen Hoffnungen nun darauf, dass mit Gregor Schlierenzauer ein früherer „Siegspringer“ in den Weltcup zurückkehrt. Er wird aller Voraussicht nach Markus Schiffner ersetzen, der in dieser Saison noch punktlos geblieben ist.
Norwegen weiterhin stark
Neben der deutschen Mannschaft sind es vor allem die Norweger, die sich in dieser Saison mannschaftlich stark präsentieren. Zwar ist das DSV-Team im begehrten Nationencup inzwischen an den Skandinaviern vorbeigezogen, mit der Ausbeute in Russland kann Cheftrainer Alexander Stöckl aber durchaus zufrieden sein.
Nach den Plätzen zwei und drei durch Daniel-André Tande und Johann Andre Forfang am Samstag beeindruckte Tande am Sonntag mit Bestweite und einer Aufholjagd im Finaldurchgang. Auch Anders Fannemel und Robert Johansson zeigten gute Einzelsprünge. „Wir wissen, dass wir zu den Besten gehören und gut genug sind, um mit mehreren Athleten um Spitzenpositionen zu kämpfen. Das verspricht viel für den Rest des Winters“, zog Stöckl in ‚VG‘ ein positives Fazit.
Team Polen schwächelt plötzlich
Der zuletzt starken polnischen Mannschaft ist es am vergangenen Wochenende hingegen nicht gelungen, die hohen Erwartungen zu erfüllen: Am Samstag wurde Piotr Zyla als bester Pole nur Zehnter, am Sonntag landeten Kamil Stoch und Maciej Kot in den Top Ten. Cheftrainer Stefan Horngacher sieht für die kommenden Wochen noch Arbeit vor sich und hat bereits ein Problem ausgemacht: „Wir haben noch etwas zu tun. Vor allem was die Anlaufgeschwindigkeit angeht, die zu niedrig ist“, sagte Horngacher zu ’skijumping.pl‘ und verspricht bessere Ergebnisse in seiner Heimat Titisee-Neustadt.
Slowenien und Tschechien in der Krise
Weiterhin ihren früheren Leistungen hinterher springen die slowenischen Skispringer. Jernej Damjan, Überraschugssieger von Kuusamo, wurde zumindest einmal Zehnter, daneben überzeugte Anze Semenic am Samstag als Neunter. Nach den Erfolgen der Prevc-Brüder in den vergangenen Jahren, zu wenig für die große Skisprungnation.
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Noch viel tiefer in der Krise steckt die tschechische Mannschaft. Nach dem Karriereende des ehemaligen Vierschanzentournee-Siegers Jakub Janda hat die Mannschaft von Cheftrainer Richard Schallert vor Nischni Tagil noch kein einziges Mal gepunktet. In Russland lieferte Vojtech Stursa mit Platz 28 zumindest eine magere Ausbeute von drei Punkten.
Nächste Station: Titisee-Neustadt im Schwarzwald
Für viele Nationen gibt es also noch Baustellen. Für die deutsche Mannschaft geht es in darum, vor heimischem Publikum in Titisee-Neustadt die guten Leistungen aus Russland zu bestätigen. Neue Erkenntnisse werden der Team- und der Einzel-Weltcup im Schwarzwald sicherlich liefern. Wer bringt sich in Hinblick auf die näherrückende Vierschanzentournee in Form? Nächste Woche gibt’s neue Erkenntnisse.
Schöne Zusammenfassung. Hoffen wir dass es bis zur Tournee tatsächlich so weitergeht, wie Schuster sagt. Dann ist endlich auch mal wieder ein deutscher Tourneesieg möglich!