Tops & Flops: Die WM in Lahti in der Analyse

Knapp zwei Wochen lang waren die weltbesten Skispringerinnen und Skispringer bei der Nordischen Ski-WM auf Medaillenjagd. skispringen.com blickt zurück auf den Saisonhöhepunkt und analysiert dabei die Gewinner und Verlierer aus Lahti.

Bereits zum siebten Mal war Lahti in diesem Jahr Austragungsort der Nordischen Skiweltmeisterschaften. Neben dem Jubiläum der 100-jährigen Unabhängigkeit Finnlands ein weiterer Grund zum Feiern für die knapp 120.000 Einwohner der siebtgrößten Stadt des Landes. Auch für die deutschen Skispringer war Lahti im Vorfeld ein gutes Pflaster: Bei der letzten WM im Jahr 2001 wurde Martin Schmitt Weltmeister von der Großschanze. Und auch die diesjährigen Wettkämpfe sollten für das DSV-Team einen ähnlich erfolgreichen Verlauf nehmen.

Carina Vogt tut es wieder

Zunächst aber waren erst einmal die Damen an der Reihe. Anders als noch vor 16 Jahren stürzen auch sie sich inzwischen bei Großevents die Skisprungschanzen hinunter. Eine, der das bisher besonders gut gelungen ist, ist Carina Vogt. Durch ihren Olympiasieg 2014 in Sotschi und das WM-Gold vor zwei Jahren in Falun hat sie sich als echt Expertin für Großveranstaltungen erwiesen. Und auch in diesem Jahr sollte sie wieder einmal unerwartet zuschlagen.





Vogt, in diesem Winter noch ohne Weltcupsieg, wurden im Vorfeld lediglich Außenseiterchancen zugerechnet. Doch auf der Normalschanze ließ die Degenfelderin abermals die gesamte Konkurrenz hinter sich –inklusive Sara Takanashi, der alles dominierenden Skispringerin der vergangenen Jahre. Die 20-jährige Japanerin, im Weltcup bereits 53 Mal erfolgreich, verpasste ihren ersten Einzel-Titel somit erneut. Am Ende reichte es immerhin zu Bronze. Silber sicherte sich Landsfrau Yuki Ito, sodass unter dem Strich trotz der verpassten Goldmedaille ein versöhnliches Mannschaftsresultat für Team Japan zu Buche stand.

Die große Gewinnerin bei der Einzel-Entscheidung der Damen aber war Carina Vogt. „Ich habe keine Ahnung warum das immer funktioniert“, konnte sie sich ihre Erfolgsserie bei Großveranstaltungen selbst nicht ganz erklären. Verdient war der Triumph allemal, weil Vogt im Gegensatz zu Takanashi und der nach dem ersten Durchgang noch Führenden Norwegerin Maren Lundby im entscheidenden Moment die Nerven behielt.

Kraft hält Wellinger in Schach

Nur einen Tag nach der Entscheidung bei den Damen stand der Einzelwettkampf der Herren auf der Normalschanze auf dem Programm. Die Favoritenrollen waren im Vorfeld klar verteilt. Stefan Kraft und Andreas Wellinger waren in den Wochen vor der WM die mit Abstand konstantesten Athleten im Feld gewesen. Und tatsächlich zeichnete sich schon nach Durchgang eins ein Zweikampf um das erste Gold bei dieser WM ab. Nur 2,1 Punkte betrug am Ende der Vorsprung des Vierschanzentournee-Siegers von 2015, Kraft wurde erstmals Weltmeister. Sein Konkurrent aus Deutschland holte seine erste WM-Medaille überhaupt.

Als Gewinner durfte sich jedoch noch ein weiterer DSV-Adler fühlen. Markus Eisenbichler gewann überraschend Bronze, nachdem er im ersten Durchgang noch auf Platz sechs gelegen hatte. Der weiteste Sprung des gesamten Wettkampfs hievte ihn im Finale dann noch aufs Treppchen, für Eisenbichler war es ebenfalls die erste WM-Plakette. „Es ist das zweite Podest meiner Karriere – und das gleich bei einer WM“ jubelte der 25-Jährige nach dem Wettkampf. Richard Freitag als Neunter und Stephan Leyhe als 13. rundeten einen gelungenen WM-Start aus deutscher Sicht ab.

Die stark eingeschätzten Polen hingegen gingen leer aus, Kamil Stoch (4.) und Maciej Kot (5.) verpassten das Podium denkbar knapp. Ernüchternd verlief der Start für die Slowenen, die auf der Normalschanze überhaupt nicht zurecht kamen. Sowohl Jernej Damjan als auch Domen und Cene Prevc mussten bereits nach dem ersten Durchgang die Segel streichen, auch der Elfte Platz des großen Bruders Peter war kein Anlass zur Freude. Von den Medaillen weit entfernt war auch das norwegische Team. Johann Andre Forfang schnitt als Siebter noch am besten ab, der Rest des Teams fand sich außerhalb der Top Ten wieder.

Team Deutschland im Mixed unschlagbar

Zu einer Demonstration der Stärke geriet aus deutscher Sicht der Mixed-Wettkampf. In der Besetzung Carina Vogt, Markus Eisenbichler, Svenja Würth und Andreas Wellinger ließ das DSV-Team der Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance und gewann mit 36,2 Punkten Vorsprung auf die zweitplatzierten Österreicher überlegen Gold. Über Bronze durfte sich das japanische Team freuen, wobei vor allem die starken Damen Sara Takanashi und Yuki Ito großen Anteil am dritten Platz hatten und ihre Medaillensammlung somit noch einmal erweitern konnten.

Dem deutschen Team konnte an diesem Tag jedoch keiner das Wasser reichen. Dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung wurde der Mixed-Titel erfolgreich verteidigt. Schon vor zwei Jahren in Falun war das DSV-Team siegreich gewesen, damals jedoch noch ohne Würth, Wellinger und Eisenbichler. Entsprechend groß war die Freude im deutschen Lager: „Diese Medaille hat einen sehr hohen Stellenwert. Weltmeister wird man nicht alle Tage“, verwies Andreas Wellinger auf die Bedeutung seiner ersten WM-Goldmedaille.

Kraft gewinnt auch das zweite Duell

In der zweiten WM-Woche ging es für die Herren auf die Großschanze, wo zunächst die zweite Einzelentscheidung auf dem Programm stand. Erneut stand dabei das Duell Stefan Kraft gegen Andreas Wellinger im Vordergrund. Nach dem ersten Durchgang waren es abermals der 23-Jährige Österreicher sowie sein zwei Jahre jüngerer Konkurrent aus Deutschland, welche sich um Gold duellierten. 0,9 Punkte trennten Kraft von Wellinger, der im Finale nochmal zurückschlagen wollte. Doch die Haltungsnoten gaben am Ende den Ausschlag für Kraft, der sich zum Doppelweltmeister kürte und zum dem Mann dieser WM aufstieg.

Andreas Wellinger wurde erneut Zweiter, dabei schien Gold zum Greifen nahe: „Stefan war zwei Mal knapp vor mir. Ich weiß nicht warum er um zwei Punkte bessere Noten bekommt, das war das Entscheidende am Schluss.“ Die Freude über seine zweite Silbermedaille war dennoch riesengroß: „Mir fehlen noch ein bisschen die Worte. Dass es so ausgeht, hätte ich nie im Leben geglaubt.“ Das Siegerfoto ergab ein Bild, an das man sich mittlerweile gewöhnt hat. Kraft vor Wellinger, wie schon zuletzt im Weltcup. Die derzeit besten Skispringer der Welt ließen die Konkurrenz auch in Lahti hinter sich – und wurden zu den großen Gewinnern dieser Weltmeisterschaften.

Doch auch die Polen durften nun endlich jubeln. Piotr Zyla sicherte sich nach einer famosen Aufholjagd im Finaldurchgang noch die Bronzemedaille. Überhaupt präsentierte sich das Team von Stefan Horngacher auf der Großschanze bärenstark, alle vier Athleten schafften den Sprung unter die besten Acht. Kamil Stoch dürfte dennoch etwas enttäuscht gewesen sein, verpasste der im Gesamtweltcupführende doch auch im zweiten Einzelwettkampf die ersehnte Medaille. Erneut enttäuschend war auch die Darbietung der Slowenen. Peter Prevc hatte mit den Medaillenrängen als Neunter nichts zu tun, der Rest sprang hinterher.

Stark verbessert hingegen präsentierten sich die in diesem Winter bisher schwächelnden Norweger. Andreas Stjernen verfehlte Bronze als Vierter um 0,6 Punkte, Anders Fannemel wurde Fünfter. Daniel-Andre Tande (10.) und Johann Andre Forfang (12.) komplettierten ein starkes Mannschaftsergebnis. Das ÖSV-Team konnte, mit Ausnahme des überragenden Stefan Kraft, wie schon auf der Normalschanze nicht restlos überzeugen. Michael Hayböck wurde Elfter, Manuel Fettner und Markus Schiffner landeten im Mittelfeld. Gregor Schlierenzauer, der es nach seinem schweren Sturz beim Skifliegen in Oberstdorf doch noch zur WM geschafft hatte, war nach mäßigen Vorstellungen in der ersten WM-Woche zum Zuschauen verurteilt. Im Team-Wettkampf durfte er dann jedoch noch einmal ran.

Historisches Gold für Polen

Der abschließende Team-Wettkampf, der aufgrund seiner Dramaturgie an Spannung kaum zu überbieten war, rundete eine ereignisreiche Weltmeisterschaft ab. Das favorisierte polnische Team wurde dabei seiner Favoritenrolle gerecht und gewann zum ersten Mal überhaupt die Goldmedaille in einem WM-Mannschaftsspringen. Piotr Zyla, Dawid Kubacki, Maciej Kot und Kamil Stoch ließen von Beginn an keine Zweifel an dem überlegenen Sieg und sicherten sich unter der Regie des österreichischen Cheftrainers Stefan Horngacher das historische Gold. „Das ist ein fantastischer Moment für uns“, war Stoch nach dem Wettkampf überglücklich. Die beste Skisprung-Nation dieses Winters krönte somit eine bärenstarke Saison.





Ungleich spannender gestaltete sich der Kampf um die verbliebenen Medaillen. Am Ende hatten die Silbermedaillengewinner aus Norwegen und das österreichische Team, das Bronze holte, das Glück auf ihrer Seite. Deutschland hingegen ging leer aus, nachdem es im zweiten Durchgang zwischenzeitlich noch klar auf Silber-Kurs gelegen war. Doch ein schwacher Sprung von Stephan Leyhe bei turbulenten Windbedingungen warf das deutsche Team zurück. Die scheinbar schon geschlagenen Norweger erlebten durch den famosen Schanzenrekord von Johann Andre Forfang (138 Meter) ein nicht mehr für möglich gehaltenes Comeback und durften sich am Ende nach einer durchwachsenen Saison über Silber freuen.

Stefan Kraft holte im vierten Wettkampf seine vierte Medaille, eine beeindruckende Bilanz, die Andreas Wellinger in dieser Form verwehrt blieb. Doch obwohl der Frust im deutschen Team angesichts der verpassten Medaille zunächst groß war, fiel das Gesamtfazit dennoch positiv aus: „Es ist eine junge Mannschaft, die eine tolle WM hingelegt hat und daraus lernen wird. Man muss diesen jungen Springern auch mal Fehler zugestehen“, zeigte sich Bundestrainer Werner Schuster versöhnlich. Der vierte Platz zum Abschluss war nicht mehr als ein Schönheitsfehler einer sonst sehr erfolgreichen WM für die deutschen Skispringerinnen und Skispringer.

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Über Sebastian Theuner 16 Artikel
Seit Dezember 2013 im Team von skispringen.com. Hat bereits seit dem Kindesalter ein Faible für das Schreiben und den (Skisprung-)Sport. War und ist bei verschiedenen Tages-, Wochen- und Fachzeitungen als Praktikant und freier Mitarbeiter tätig. Studiert an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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