Tops & Flops

Gewinner und Verlierer der 67. Vierschanzentournee

Mit nur 22 Jahren fliegt Ryoyu Kobayashi in die Geschichtsbücher. Auch zwei Deutsche trumpfen auf, können den japanischen Überflieger aber nicht aufhalten. skispringen.com analysiert die Gewinner und Verlierer der 67. Vierschanzentournee.

Als der letzte verbliebene Konkurrent in Person von Markus Eisenbichler schon weit vor der grünen Linie, welche die Führungsweite markiert, zur Landung ansetzt, legt Ryoyu Kobayashi den Kopf in den Nacken und schließt die Augen. Den Tourneesieg hat er zu diesem Zeitpunkt schon längst in der Tasche, die Nervosität des deutschen Kontrahenten beschert dem jungen Japaner die Kirsche auf der Torte.

Den vierten Sieg im vierten Springen der Vierschanzentournee, ein Kunststück, welches zuvor nur Sven Hannawald und Kamil Stoch gelungen war. Ein Moment der inneren Freude, der Erleichterung, der Befreiung, bevor Kobayashi, nun Klubmitglied Nummer drei, seinen Mannschaftkameraden um den Hals fällt.

Wenige Worte, weite Sprünge

Kobayashi ist die Figur der diesjährigen Vierschanzentournee. Ein Mann der wenigen Worte, seine Erfolge kommentiert er stets zurückhaltend, bescheiden. An den Gesamterfolg habe er nach eigener Aussage nie gedacht, obwohl er bereits mit vier Saisonsiegen im Gepäck als absoluter Top-Favorit nach Oberstdorf gereist war. Mal ist es knapp – auf der Schattenbergschanze beträgt sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten nur winzige 0,4 Punkte, mal eine Machtdemonstration wie am Innsbrucker Bergisel. Verdient sind seine Erfolge immer. Kobayashis Siege sind kein Zufallsprodukt, keine vom Wind begünstigten Resultate. Vielmehr zeigt sich im Verlauf der Tournee immer mehr, was der junge Japaner dem Rest des Feldes derzeit voraushat.

„Die Technik, wie er speziell die Absprung-Übergang-Phase gestaltet ist super sauber, und er ist sehr schnell im Anlauf“, zählt der deutsche Bundestrainer Werner Schuster die Vorzüge des Jungspunds auf. Wie sich Kobayashi innerhalb kürzester Zeit in eine perfekte Flugposition bringt und so in der Luft viel Geschwindigkeit aufnehmen kann, bleibt der Konkurrenz während der Tournee ein nicht zu knackendes Rätsel. „Ich bin einfach sehr zufrieden. Mit meiner Mannschaft trinke ich jetzt Champagner“, kommentiert der Triumphator seinen geschichtsträchtigen Erfolg – der auch deshalb in die Annalen eingeht, weil er nach Kazuyoshi Funaki erst der zweite Japaner ist, der die Traditionsveranstaltung für sich entscheiden konnte. Funaki waren in der Saison 1997/98 allerdings „nur“ drei Siege gelungen.

Gescheitert am Überflieger

Mit seinem Vierfach-Triumph machte Kobayashi gleichzeitig Werner Schuster einen Strich durch die Rechnung, zu dessen letzten verbliebenen großen Zielen der Tourneesieg zählt. „Wir sind leider wieder an einem Überflieger gescheitert“, bilanzierte Schuster und verwies auf die Jahre 2016 und 2018, als sich Peter Prevc bzw. Kamil Stoch als eine Nummer zu groß erwiesen hatten. Dass der DSV-Coach dennoch auf eine erfolgreiche Tournee zurückblicken kann, hat insbesondere mit seinen beiden Schützlingen Markus Eisenbichler und Stephan Leyhe zu tun.

Als einzigem Athleten war es Eisenbichler gelungen, Kobayashi halbwegs in Schach zu halten, in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen sprangen beide quasi auf einem Niveau. Erst in Innsbruck musste „Eisei“ abreißen lassen, war ob seines zweiten Gesamtplatzes in der Mixed-Zone von Bischofshofen aber dennoch zu Tränen gerührt: „Mir raubt es selten den Atem, aber jetzt gerade weiß ich nicht was ich denken soll. Ich bin einfach überglücklich, dass wir zu zweit auf dem Podest stehen.“ Zu zweit deshalb, weil Teamkollege Leyhe sich von Station zu Station steigerte und sich beim abschließenden Wettkampf in Bischofshofen noch auf den dritten Gesamtrang katapultierte. „Eigentlich war es mein Ziel, die Tournee mit einem schönen Sprung zu beenden. Dass es dann noch so weit nach vorne reicht, damit habe ich nicht gerechnet“, war der Willinger von seinem Abschneiden selbst überrascht.

Zu schwach: Freund muss abreisen

Trotz der insgesamt starken Tournee-Bilanz musste das deutsche Team jedoch auch Rückschläge verkraften, angefangen bei Severin Freund, der nach langer Verletzungspause seine Form auch in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen nicht wiederfand und nach dem Neujahrsspringen vorzeitig abreisen musste. Die einstigen Siegspringer Richard Freitag und Andreas Wellinger blieben wie schon im gesamten Winter weit hinter den Besten zurück, auch wenn ihr Potenzial vereinzelt aufblitzte. Konstant abrufen konnten sie es wie auch Karl Geiger nicht, der nach seinem Weltcup-Sieg in Engelberg als deutscher Hoffnungsträger nach Oberstdorf gefahren war und während der Tournee solide, aber keine überragenden Vorstellungen zeigte.

Polen: Als Team nicht mehr unschlagbar

Mehr Schatten als Licht – gemessen an den Ergebnissen der vergangenen Jahre – lag auf dem Mannschaftsergebnis der polnischen Skispringer. Durchweg überzeugen konnte Dawid Kubacki, u.a. mit zwei Podestplätzen in Garmisch und Bischofshofen. Sein Patzer in Innsbruck (18.) kostete ihn jedoch den Sprung aufs Podium in der Gesamtwertung. Solide, aber eben nicht wie zu besten Zeiten präsentierte sich Vorjahressieger Kamil Stoch. Mit dem sechsten Gesamtrang gab er sich dennoch zufrieden, „das zeigt, dass ich immer noch auf einem guten Level bin“. Deutlich hinter den Erwartungen zurück blieb hingegen Piotr Zyla, vor Tourneestart noch die Konstanz in Person, Rang sechs war bis zum Neujahrsspringen sein schlechtestes Ergebnis in diesem Winter. Das Aus im ersten Durchgang von Innsbruck beendete jedoch aller Tournee-Träume vorzeitig. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist dem Team von Stefan Horngacher etwas abgegangen, auch Jakub Wolny, Stefan Hula und Maciej Kot konnten während der Tournee keinen Druck auf das Top-Trio ausüben.

Kraft, Huber und der Aufwärtstrend

Im Aufwind hingegen befindet sich Team Österreich, wo Cheftrainer Andreas Felder auf eine gelungene Vierschanzentournee zurückblicken kann. Großer Wermutstropfen war freilich das Ausscheiden von Stefan Kraft im ersten Durchgang des Neujahrsspringens, welcher sich angesichts dreier Podestplätze an den übrigen Stationen so um eine exzellente Gesamtplatzierung brachte. Dennoch bewies Kraft, auch im Hinblick auf die Heim-WM in Seefeld Ende Februar, dass er wieder in der Lage ist, in der Weltspitze mitzumischen. An diese nähert sich auch Daniel Huber immer mehr an. Platzierungen zwischen Rang zehn und 15 bedeuteten am Ende Platz neun in der Gesamtwertung, Huber war damit bester ÖSV-Adler. Aber: Hinter Kraft und Huber klafft eine Lücke im Team. Diese zu schließen, wird nach den zuletzt vielversprechenden Resultaten die nächste große Aufgabe von Trainer Felder.

Während die Tournee für das österreichische Team somit zumindest ein Schritt in die richtige Richtung war, bleiben die Norweger in diesem Winter auch nach dem Finale von Bischofshofen weiterhin hinter den Erwartungen zurück. Mit dem Gesamtsieg hatte kein Athlet aus der Truppe von Alexander Stöckl etwas am Hut, ein Lichtblick immerhin war die starke Leistung von Andreas Stjernen, der in Innsbruck Dritter wurde, am Dreikönigstag jedoch abstürzte (25.). Dahinter zeigte einzig Robert Johansson solide Leistungen und beschloss die Tournee als Achter, der eigentlich als Mitfavorit gehandelte Johann Andre Forfang hingegen schaffte kein einziges Mal den Sprung unter die Top Ten. In der Breite und in der Spitze fehlt es Stöckls Team derzeit an Substanz.

Positive Randerscheinungen

Sowohl für aufstrebende Youngster als auch für vermeintlich bereits abgeschlagene Routiniers ist die Vierschanzentournee eine optimale Plattform, (wieder) ins Rampenlicht zu springen. Während sich auf japanischer Seite alles auf Überflieger Kobayashi konzentrierte, überzeugte der 23-jährige Yukiya Sato in dessen Schatten mit guten Sprüngen, die ihn u.a. zu Platz sechs in Innsbruck und Platz zwölf im Gesamtranking führten. Lichtblick in einem ansonsten desolaten slowenischen Team war der erst 18-jährige Timi Zajc, der sich bei den ersten drei Springen stets unter den besten zehn wiederfand. Eine tolle Gesamtplatzierung fiel einem verpatzten Wettkampf in Bischofshofen zum Opfer. Zu den positiven Erscheinungen gehörte auch Roman Koudelka, der lange im Kampf um das Podest mitmischte und am Ende Fünfter des Gesamtklassements wurde. Ebenso aufhorchen ließ der 23-jährige Schweizer Kilian Peier, insbesondere mit seinen Leistungen in Innsbruck und Bischofshofen (Siebter und Achter). Auch Teamkollege Simon Ammann, dessen Nachfolge Peier einmal antreten möchte, machte bei der Tournee einen deutlichen Schritt nach vorne (Gesamt-13.).

» Alle Termine im Überblick: Weltcup-Kalender 2018/2019 (Herren)

Für die stolze Skisprungnation Slowenien war die Tournee hingegen eine einzige Enttäuschung, und mit Ausnahme von Nachwuchsspringer Zajc ist derzeit keine Besserung in Sicht. Die Prevc-Brüder Peter und Domen traten gar bereits nach verpatzter Qualifikation in Garmisch-Partenkirchen die Heimreise an. Der Druck auf den neuen Cheftrainer Gorazd Bertoncelj wird nicht kleiner.

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Über Sebastian Theuner 16 Artikel
Seit Dezember 2013 im Team von skispringen.com. Hat bereits seit dem Kindesalter ein Faible für das Schreiben und den (Skisprung-)Sport. War und ist bei verschiedenen Tages-, Wochen- und Fachzeitungen als Praktikant und freier Mitarbeiter tätig. Studiert an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

8 Kommentare

  1. Guter Artikel über die Vierschanzentournee. Ich hätte aber auch noch David Siegel und Constantin Schmid erwähnt. David Siegel hat gezeigt, dass mit ihm in Zunkunft zu rechnen ist und der junge Constantin Schmid ist ein neues Juwel in der deutschen Mannschaft. Für beide gilt: Diese Saison eingewöhnen und nächste Saison auftrumpfen!!

  2. Der Kegelbruder wird höchstwahrscheinlich die Kegel nicht mit der Kugel sondern mit seinem Schädel abräumen. Daher ist seine Aussage bedauerlicherweise nachvollziehbar, dass der aktuelle GrandSlam Sieger öffentlich mit einem vergleichbaren Wort wie „Nigger“ beschimpft wird.

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