Zum ersten Mal seit ihrem bitteren Olympia-Aus absolviert Marita Kramer wieder einen Medientermin. Dort gibt sie bewegende Einblicke in ihr Seelenleben, richtet aber auch den Blick wieder nach vorne.
Mehr als zweieinhalb Wochen ist es her, dass Marita Kramer von ihrem Olympia-Aus erfuhr. Seitdem trat die 20-Jährige nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, gab nur durch wenige Stories auf ‚Instagram‘ überhaupt Lebenszeichen von sich. Doch am Freitagmittag lud der Österreichische Skiverband (ÖSV) zu einer virtuellen Medienrunde, in der sich die Gesamtweltcupführende erstmals zu den Ereignissen und ihrem Wohlergehen nach ihrer Corona-Infektion und dem geplatzten Olympia-Traum äußerte – und das in bemerkenswerter Offenheit.
„Gesundheitlich bin ich wieder voll da, ich trainiere seit Anfang der Woche wieder. Beim Krafttraining merke ich, dass die Kraft, die ich vorher hatte, nicht mehr ganz da ist. Ich habe es anfangs etwas unterschätzt, dass ich leichte Symptome hatte und bin etwas zu mutig wieder eingestiegen. Ich habe den Muskelkater meines Lebens, aber es hat auch sein Gutes, wenn man merkt, dass das Training einen guten Effekt hat“, berichtete Kramer. Auch ein Sprungtraining habe sie in Erwägung gezogen, sich aber bewusst dagegen entschieden, „weil das Gefühl noch nicht wieder da“ sei.
Kramer: „Es ist wichtig, dass es wieder weitergeht“
Dennoch habe sie wieder gemerkt, dass das Training „meine Leidenschaft und das, was mich glücklich macht“ ist. Der Wiedereinstieg auf der Schanze steht dann Anfang der nächsten Woche an, ehe es vom 25. bis 27. Februar zum zweiten Heimweltcup der ÖSV-Damen nach Hinzenbach geht. Und auch wenn dies nicht ihre Lieblingsschanze sei, „ist es wichtig, dass es wieder weitergeht. Ich brauche das Wettkampfgeschehen und den -Rhythmus. Dann habe ich wieder das Gefühl, dass ich weiß, dass ich Gas geben muss.“
Dass die große Gold-Anwärterin die Spiele in Peking überhaupt verpasste, war einer Corona-Infektion geschuldet, die beim Weltcup in Willingen durch einen positiven PCR-Test nachgewiesen wurde. Und auch wenn kurzzeitig die Hoffnung bestand, verspätet anzureisen und trotzdem zu starten, „habe ich mir schon nach dem ersten Test gedacht ‚das war’s.‘ Und nach dem zweiten war es dann endgültig vorbei, weil auch der CT-Wert immer weiter sank“, schilderte die 14-malige Weltcupsiegerin: „Seitdem habe ich keine Sprünge mehr gemacht, meine Ski nicht mal angeschaut.“
Olympia-Aus: „Das Gefühl ist grausig
Diese Stunden fühlten sich für sie „wie ein lebender Abltraum an. Ich habe einige schlaflose Nächte verbracht.“ Ihren Kolleginnen und Konkurrentinnen beim Springen zusehen zu müssen „war komisch. Seit drei Jahren bin ich jetzt im Weltcup dabei und habe seitdem keinen Wettkampf vor dem Bildschirm verbracht.“ Dennoch habe sie sich gefreut, über Video-Telefonate den Kontakt zu ihren Landsfrauen zu halten. „Sie haben ja auch mit mir mitgelitten und ich habe ihnen für die Wettkämpfe alles Gute gewünscht“, berichtete sie vom teaminternen Austausch.
Die Verarbeitung der Ereignisse habe ihre Zeit gebraucht, gab die gebürtige Niederländerin zu: „Die ersten eineinhalb Wochen habe ich, ganz untypisch für mich, nur rumgelegen. Ich war echt in einem Loch und das Gefühl ist grausig.“ Nach der Quarantäne konnte sie sich „mit ein paar Leuten treffen, die mir wichtig sind und Abstand gewinnen“. Auch der neue Hund ihrer Schwester Femke, die als Biathletin ist, habe ihr Ablenkung verschafft: „So ein Welpen braucht viel Beschäftigung und Bewegung“, strahlte sie zum ersten und einzigen Mal in dem 20-minütigen Gespräch.
Voller Fokus auf den Gesamtweltcup
Ihren Fokus wolle sie nun auf das verbleibende Saisondrittel richten. Mit der „Raw-Air“-Tour wartet eine neue Erfahrung auf sie, die sie 2020 aufgrund der Junioren-WM noch verpasste, ehe sie vergangenes Jahr aufgrund der Pandemie ausfiel. „Seit ich im Weltcup dabei bin, ist das ein Highlight. Vor allem die Schanzen, die wir dort springen, taugen mir sehr. Die Vorfeude ist daher riesengroß“, lächelte Kramer. Auch mit der abschließenden „Blue-Bird“-Tour in Russland konnte sie sich vergangenen Winter auf Anhieb anfreunden, schließlich gewann sie alle vier Springen und auch die Sonderwertung.
Auch deshalb bekundete sie klar: „Der Gesamtweltcup ist mein Ziel und mein Fokus für den Rest der Saison.“ Der Weg dorthin ist auf dem Papier einer, der ihr liegt. Nun werden die kommenden Wochen zeigen, ob er es auch in der Realität ist. Im vergangenen Winter kosteten eine Disqualifikation (ausgerechnet in Hinzenbach) und ein großes Wirrwarr im rumänischen Rasnov um ihre Corona-Testergebnisse die große Kristallkugel. „Ich hoffe, dass ich jetzt auch mal Glück habe“, sagte Kramer und sprach damit nicht nur sich selbst sondern auch vielen Fans von der Seele.
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