Skisprung-Weltcup ganzjährig? Horst Hüttel äußert sich

Die Forderung nach einem ganzjährigen Skisprung-Weltcup sorgt für Diskussionen in der Skisprungszene. Der Vorschlag von Paul Ganzenhuber, Vorsitzender des FIS-Komitees für Kalenderplanung, findet sowohl Befürworter als auch Kritiker. Im exklusiven Gespräch mit skispringen.com-Chefredakteur Marco Ries erläutert Horst Hüttel, Sportlicher Leiter beim Deutschen Skiverband (DSV), die Vorteile und das Konzept hinter der heiß diskutierten Idee.

Herr Hüttel, eine interessante Idee könnte den gesamten Skisprungsport revolutionieren. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Horst Hüttel: Ich finde diese Idee sehr interessant. Aus meiner Sicht lässt man mit der aktuellen Durchführung des Sommerskispringens als Sommer-Grand-Prix etliche Chancen brachliegen. Einen „Grand-Prix“ gibt es in verschiedenen Bereichen, beispielsweise in der Volksmusik – und auch im Skispringen. Mit diesem Begriff kann aber eine nicht-skisprungaffine Person wenig anfangen, doch genau diesen Kreis möchte man für den Sport begeistern. Der Begriff „Grand-Prix“ beinhaltet aus sportlicher Hinsicht keinerlei Qualitätsmerkmal, der Begriff „Weltcup“ aber schon. Daher unterstütze ich ein solches Vorhaben.

Ich denke, jede Sportart muss das in die Waagschale legen, was sie zu bieten hat. Wir befinden uns hier im medialen Wettstreit mit Fußball, Tennis und allen anderen Sportarten, und das Skispringen hat aus meiner Sicht auch im Sommer unglaublich viel zu bieten. Die Möglichkeit, im Sommer Wettkämpfe in einer vergleichbaren Wertigkeit wie im Winter durchzuführen, hat im Hause des Internationalen Skiverbandes FIS nur das Skispringen. Und schon die Tatsache, dass die Weltranglistenpunkte im Skispringen und in der Nordischen Kombination im Sommer eins zu eins wie im Winter gewertet werden, zeigt, dass die sportliche Wertigkeit von der FIS bereits zu einhundert Prozent anerkannt ist. Daher würde es allen Beteiligten helfen, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, diesen Sommer-Grand-Prix in letzter Konsequenz auch in einen Weltcup umzubenennen.

Sie erhoffen sich also eine allgemeine Aufwertung der Sportart Skispringen?

Hüttel: Sicherlich ist es nicht nur alleine damit getan, aber ich bin davon überzeugt, dass es Athleten, Organisationskomitees und Verbänden definitiv helfen würde, wenn im Sommer Weltcuppunkte vergeben würden. Das würde sich dann auch bei außenstehenden Personen positiv niederschlagen. Die Frage ist eben: Wo soll das Skispringen in vier, sechs oder acht Jahren stehen? Und wenn man den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen möchte, kann das der nächste Schritt sein.

Es gab zuletzt verschiedene Ideen, wie man den Winter noch weiter ausbauen könnte, aber das Potenzial ist schon ziemlich ausgereizt. Ich denke jedoch, dass es für keine Sportart der Welt gut ist, wenn man acht Monate – wenn man von den Sommer-Übertragungen bei Eurosport absieht – von der Bildfläche verschwindet. Aber im Moment ist das beim Skispringen leider der Fall. Andreas Wank gewinnt drei Sommer-Grand-Prix‘ in Folge und keiner bekommt es mit. Das ist schade für den einzelnen Athleten und noch mehr für die gesamte Sportart.

Wie würde ein derartiges Vorhaben dann in der Praxis aussehen? Gäbe es zwei seperate Weltcupserien?

Hüttel: Hier muss sicher noch nachgedacht werden, was im Detail die beste Lösung sein könnte. Zuerst muss jedoch ein grundsätzliches Votum der nationalen Verbände und der Athleten vorliegen. Wahrscheinlich sind auch nicht gleich alle Athleten von der Idee von Anfang an begeistert und man darf auch keine überhasteten Schnellschüsse losfeuern. Entscheidend ist, dass am Ende eine Lösung gefunden wird, die dem Skisprungsport im Sommer mehr Popularität und Aufmerksamkeit verleiht. Darum sollte es im Kern gehen. Skispringen ist nicht  wie der alpine Rennsport auf den Winter reduziert. Skispringen hat das Potenzial zu einer Ganzjahressportart.

Wie sie selbst sagen, hat das Sommerspringen derzeit noch nicht den hohen Stellenwert in der Öffentlichkeit. Was wäre also nötig, um die Bedeutung der Sommerbewerbe zu erhöhen und damit eine ganzjährige Weltcupserie zu ermöglichen?

Hüttel: Im Sommer gibt es einige Möglichkeiten, die man im Winter nicht hat. Man kann das Skispringen mit anderen Veranstaltungen kombinieren, beispielsweise mit Konzerten oder Sommerfesten. Das sind Möglichkeiten, die habe ich schlichtweg im Winter nicht. Ich kann mich gut an mein erstes Jahr in der Verantwortung beim DSV erinnern: Damals fand 2008 die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz statt. Wir wurden vom ÖSV eingeladen, bei einem Show-Skispringen am Bergisel teilzunehmen, bei dem österreichische Skispringer gegen deutsche Skispringer angetreten sind. Das ganze hat man mit Public Viewing des anschließenden Fußballspiels verbunden. Es sind etwa 20.000 Zuschauer gekommen, die auch die Skispringer euphorisch bejubelt haben. Die Atmosphäre war unglaublich.

Wie steht Walter Hofer der Sache gegenüber?

Hüttel: Ich weiß, dass Walter Hofer das Potenzial des Sommerskispringens ähnlich hoch einschätzt. Er hat mir von der Vision erzählt, dass man sich darüber Gedanken macht, Vikersund mit Matten zu belegen, um in der Midsommernacht dort Skizufliegen. Eine ebenfalls interessante Idee, wie ich finde. Hinsichtlich dem Bestreben eine Weltcupwertung im Sommer einzuführen hat er es in der FIS natürlich nicht leicht. Hier würde man einer Sportart eine Möglichkeit eröffnen, die man anderen Sportarten im Hause der FIS  nicht eröffnen könnte. Dies ist sicher für manche Personen wahrscheinlich ein Problem. Doch so sollte man nicht denken. Man sollte eher nachdenken, wo das Potenzial jeder einzelnen Sportart liegt, um dann daran zu arbeiten dieses Potenzial auszuschöpfen. Mein norwegischer Kollege Clas Brede Brathen (Sportdirektor beim norwegischen Skiverband, Anm. d. Red.) sieht die Sache genauso. Wir beide unterstützen den Vorschlag von Paul Ganzenhuber voll und ganz und hoffen sehr, dass er eines Tages zur Umsetzung kommt.

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