Fragen & Antworten

Skispringerinnen starten in die Olympia-Saison: Das müssen Sie wissen

Foto: tramplin.perm.ru

Mit dem Weltcup in Nischni Tagil beginnt für die Skispringerinnen die Saison 2021/2022. Vor dem Auftakt auf dem Tramplin Stork beantwortet skispringen.com alle wichtigen Fragen – zu Terminen, Favoritinnen und Highlights.

Die Termine: Wann geht’s los und was steht an?

Der Weltcup-Auftakt findet vom 25. bis 27. November und damit so früh wie noch nie statt. Gesprungen wird in Nischni Tagil (Event-Übersicht mit Zeitplan & Infos), wo auch der chinesische Verband an der Organisation beteiligt ist. Neben einer Kostenersparnis und dem Erfahrungsaustausch auf Veranstalterseite profitieren auch die Athletinnen. Pressesprecher Andrey Kascha sagte skispringen.com: „Experten meinen, dass Schanze in Nischni Tagil der Olympia-Schanze in Zhangjiakou sehr ähnlich ist.“ Somit gibt es noch vor den Spielen im Februar auch ohne Generalprobe auf der Olympiaschanze selbst einen ersten aussagekräftigen Vergleich.

Im Dezember stehen in Lillehammer zunächst ein weiteres Einzel auf der Normal- und das erste Kräftemessen auf der Großschanze an, ehe es zum zweiten Mal nach 2019 nach Klingenthal geht. Ramsau am Dachstein ist dann in der Woche darauf der letzte Gastgeber vor Weihnachten. Auch über den Jahreswechsel wird erstmals gesprungen, denn es gibt zwei Einzelspringen in Ljubno ob Savinji, die ein Pilotprojekt darstellen.

Danach sind mit je zwei Einzeln auf der Großschanze in Sapporo und der Normalschanze in Zao zwei Wochenenden in Japan angesetzt, diese stehen jedoch auf wackeligen Füßen. Vorletzte Woche wurde bereits der Continentalcup der Herren in Sapporo abgesagt, der am 15. und 16. Januar hätte stattfinden sollen. Zudem ist das Wochenende am 22. und 23. Januar ohnehin frei, somit drohen im schlimmsten Fall drei freie Wochenenden am Stück. Die nächste Station wird dann Willingen sein, das erstmals im Damen-Kalender zu finden ist. Auf der Mühlenkopfschanze, der größten für die Damen überhaupt, finden ein Mixed-Team- und zwei Einzelspringen statt.

» Alle Termine im Überblick: Weltcup-Kalender 2021/2022 (Damen)

Der Februar beginnt mit den Olympischen Spielen in Peking. Dort steht am 4. Februar das Einzel an, in dem die Nachfolgerin von Goldmedaillengewinnerin Maren Lundby, die auf ihren Start verzichtet, gesucht wird. Zwei Tage später steigt dann die Olympia-Premiere des Mixed-Teamspringens. Bis einschließlich 20. Februar dürfen aufgrund der Terminsperre gar keine Weltcupspringen stattfinden, somit geht es erst vom 24. bis 27. Februar weiter. In Hinzenbach wartet dann das einzige Teamspringen im Saisonverlauf auf die Athletinnen, wie auch zwei Einzel.

Im März geht es dann nochmal richtig rund. Den Auftakt macht die Raw-Air in Norwegen mit einem Einzel in Lillehammer und zweien in Oslo. Am Holmenkollen findet zudem ein weiteres Mixed-Teamspringen statt, das jedoch nicht für die Raw-Air-Gesamtwertung zählt. Über Oberhof, das ebenfalls neu im Kalender ist, geht es dann nach Nischni Tagil und Tschaikowski, wo erstmals beide Springen auf der Großschanze stattfinden. Ein bisschen Wehmut wird jedoch dabei sein, schließlich wird es die Blue-Bird-Tour, die das Saisonfinale bildet, in dieser Form zum letzten Mal geben.

Was ist neu in diesem Winter?

Die größte Neuerung ist die Premiere des K.o.-Modus bei den Damen, der vorher noch in keinem Wettkampf zum Einsatz kam. In Ljubno werden beide Springen im Vierschanzentournee-Format ausgetragen: Die Qualifikation reduziert das Teilnehmerfeld zunächst auf 50 Springerinnen, die im ersten Wertungsdurchgang in 25 direkten Duellen gegeneinander antreten werden. Die 25 Siegerinnen und die fünf besten Verliererinnen (Lucky Loser) ziehen dann ins Finale ein. Zwar werden diese beiden Wettkämpfe die einzigen im Saisonverlauf mit 50 statt 40 Teilnehmerinnen im ersten Durchgang sein, jedoch soll schon in der nächsten Saison mit Villach eine zweite Station hinzukommen.

Ferner wird es erstmals im Weltcup Mixed-Teamspringen auf Großschanzen geben. Diese gab es bereits 2018 und vergangenen September im Tschaikowski, allerdings noch nicht im bedeutenderen Weltcup. Somit wird das Mixed-Teamspringen in Willingen definitiv im Rampenlicht stehen, zumal dieses Wochenende von der FIS als Bewertungskriterium hinsichtlich der Eignung der Damen für die Skiflugschanzen gesehen wird. Der Verband stuft die Mühlenkopfschanze als idealen Testort ein und möchte dann im Frühjahr evaluieren, ob er in der Saison 2022/2023 erstmals einen offiziellen Skiflug-Wettkampf für Damen erlauben wird.

Im Materialbereich gab es lediglich eine kleine Anpassung. Materialkontrolleurin Aga Baczkowska und ihre Kolleginnen und Kollegen sollen vor allem ein Auge auf die neu definierte Taillierung, die enganliegendste Stelle der Anzüge haben. Neben den feststehenden Maßen von zwei bis vier Zentimeter Breite und einer maximalen Dicke von zwei Millimetern darf der gemessene Umfang vom Anzug je fünf Zentimeter ober- und unterhalb dieser Taillierung die gemessenen Körpermaße nicht überschreiten. Der Übergang von diesem enganliegenden hin zur erlaubten Toleranz am restlichen Teil des Anzugs muss zudem graduell verlaufen.

Wer sind die Favoritinnen?

Titelverteidigerin und damit automatisch (Mit-)Favoritin ist Nika Kriznar. Die Slowenin bestach nicht nur in der vergangenen Saison, in der sie alle Wettkämpfe in den Top Ten abschloss, mit Konstanz, sondern auch im Sommer: Ein siebter, ein sechster, zwei vierte und ein dritter Platz war ihre starke Bilanz im Sommer-Grand-Prix. Dennoch sieht die 21-Jährige bei sich noch Potenzial für mehr. „Ich bin nicht ganz zufrieden, hatte einige Formschwankungen im Sommer. Aber das ist kein Grund zur Panik, ich kann damit umgehen. Es zählt schließlich im Winter und dann werde ich bereit sein“, sagte sie ’siol.net‘.

Noch größere Schlagzeilen schrieb in den vergangenen Monaten ihre Landsfrau Ursa Bogataj, die vier der sieben Springen gewann und sich so überlegen den Sieg in der Sommer-Grand-Prix-Gesamtwertung sicherte. „Ich habe viel an meiner Technik gearbeitet, vor allem in der letzten Flugphase hin zur Landung“, erklärte sie skispringen.com ihren Leistungssprung. Im Weltcup stehen für die Frau aus Ljubljana bis dato lediglich zwei dritte Plätze zu Buche, weshalb sie auch eher bescheidene Töne anschlägt: „Das körperliche und mentale Level muss den ganzen Winter über hoch sein. Ich hoffe, dass ich das hinbekomme.“ So gut wie jetzt waren ihre Aussichten jedoch noch vor keiner Saison.

Die zweite der derzeitig aktiven Springerinnen, die bereits in den Genuss eines Gesamtweltcupsieges kam, ist Sara Takanashi. Mit vier Gesamtsiegen und 60 gewonnenen Springen hält die Japanerin weiterhin alle Weltcup-Rekorde im Damen-Skispringen. In der Abwesenheit von Maren Lundby schielt sie auf den ganz großen Erfolg: „Ich habe zwar meine Olympia-Medaille schon, aber ich möchte Gold gewinnen.“ Das fehlende Gold bei Olympia und WM ist der einzige Makel einer höchst erfolgreichen Karriere. Und, obwohl sie schon so viel gewonnen hat, scheute sie sich nicht davor, neue Wege einzuschlagen: Sie erlernte von Grund auf einen neuen Sprungstil und „möchte den Leuten beweisen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Wenn mir das gelingt, kommen die Ergebnisse von allein.“

Einen ähnlichen Weg schlug auch Sara Marita Kramer ein. Die turbulente letzte Saison, die Geschichte für eine ganze Karriere schrieb, sei für sie schon am Finaltag in Tschaikowski abgehakt gewesen. Dennoch fing auch sie nochmal von ganz vorne an. „Ich bin auf kleinen und auch etwas größeren Schanzen gesprungen. So habe ich mich Schritt für Schritt etwas verbessert und angepasst“, berichtete sie unlängst bei einem Medientermin des ÖSV. Zudem ist ihr das Gefühl des Siegens aus der letzten Saison bestens vertraut, schließlich gewann sie sieben der 13 Springen und zum Abschluss auch die Blue-Bird-Tour. Auch die gebürtige Niederländerin ist eine große Titel-Anwärterin.

Zu diesem erlesenen Kreis zählt auch Silje Opseth. Die Norwegerin wuchs in der vergangenen Saison an der Seite von Maren Lundby in die Rolle der Teamleaderin und Spitzenspringerin hinein. Obwohl sie immer noch kein Weltcupspringen gewonnen hat, kämpfte sie bis kurz vor Schluss um die große Kristallkugel, was sinnbildlich für ihr Potenzial steht. Ihre drei Podestplätze im Sommer-Grand-Prix waren die ersten Früchte des gemeinsamen Trainings mit den norwegischen Herren, mit denen die Damen seit dem Frühjahr die erste Mixed-Nationalmannschaft überhaupt bilden. Und auch ihre Ambitionen sind ausgewachsen. Auf ihr Saisonziel angesprochen, antwortete sie klar: „Ich will Olympia-Gold gewinnen!“

Welche deutschen Skispringerinnen sind in Nischni Tagil dabei?

Sommer-Meisterin Katharina Althaus führt das deutsche Aufgebot an. Die übrigen Plätze nehmen mit Juliane Seyfarth, Selina Freitag, Luisa Görlich, Pauline Heßler und Anna Rupprecht jene fünf Springerinnen ein, die bei den Deutschen Meisterschaften in Oberhof auf den Rängen zwei bis sechs landeten. Althaus blickte zuversichtlich auf den Auftakt voraus: „Der erste Weltcup ist immer auch ein bisschen aufregend, weil man nicht genau weiß, wo man steht. Aber ich habe sehr gut gearbeitet und bin deshalb auch optimistisch, dass es gut laufen wird.“

Trainiert werden die DSV-Damen seit April von Maximilian Mechler, der zum Nachfolger von Andreas Bauer ernannt wurde. „Das ist eine tolle Herausforderung, weil gleich im ersten Jahr mit Olympia ein großes Highlight ansteht. Da liegt natürlich der Fokus drauf“, blickte Mechler bei einem Medientermin voraus und benannte auch eine klare Zielsetzung: „Wir wollen im Mixed-Team eine Medaille holen.“ Besonders im Fokus standen im Sommer-Training die Thematiken Athletik und Sprungtechnik.

Den größten Fortschritt im Sommer machte hierbei Selina Freitag, die beim Grand-Prix-Finale in Klingenthal mit Platz zwölf in der Weltspitze anklopfte. Nach einer Modifizierung ihres Bindungssystems habe sie sich „mit der Zeit besser“ gefühlt und ihre Trainingsleistungen auch in den Wettkampf transportieren können. Auch die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen habe ihr geholfen, berichtete sie auf ’sächsische.de‘: „Er hat mir Tipps gegeben, wie ich lockerer in den Wettkampf gehen kann. Ich bin jetzt selbstbewusster, habe Vertrauen in mein Sprungsystem“ – und damit auch die Olympia-Norm von einem Top-8- oder zwei Top-15-Ergebnissen im Blick.

Auch Anna Rupprecht ließ verlauten: „Mein Ziel ist die Qualifikation für Olympia.“ Die Endphase der Vorbereitung bestand für die Mixed-Team-Weltmeisterin von Oberstdorf vor allem darin, „alle Teile des Sprunges, also Anfahrt, Absprung, Flug und Landung zusammenzubauen.“ Pauline Heßler ist seit Anfang des Sommers bei den Lehrgängen mit dem A-Kader dabei und konnte daraus schon Profit schlagen. Die Springerin des WSV 08 Lauscha landete beständig unter den besten 30 in den Sommer-Wettkämpfen und „möchte weiterhin meine Trainingsleistungen auch in den Wettkämpfen zeigen.“ Selbiges gilt auch für Vereinskollegin Luisa Görlich, die mit einem Beinahe-Sturz Anfang August in Courchevel einen großen Schreckmoment hatte, diesen jedoch gut verdaut hat und zuletzt wieder an ihre Form aus dem letzten Winter anknüpfen konnte.

Trotz der Silbermedaille in Oberhof geht Juliane Seyfarth nicht als klare Nummer zwei in den Winter, was auch mit ihren durchwachsenen Leistungen im Sommer-Grand-Prix zusammenhängt. Gegenüber des enttäuschenden letzten Winters ist eine Aufwärtstendenz erkennbar, Seyfarth weiß auch, „dass ich viel besser Ski springen kann als in der letzten Saison. Deswegen haben wir im Sommer viel an meiner Hocke gearbeitet, weil ich oftmals gar nicht dazu kam, meine eigentliche Stärke, nämlich das Fliegen, auszuspielen.“ Im Podcast ‚Flugshow‘ blickte sie jedoch zuversichtlich auf den Winter voraus: „Was die Athletik angeht, bin ich topfit und freue mich auf alles was kommt. Ich muss beim Springen dann auch mal den Kopf ausschalten, dann funktioniert es automatisch besser.“

Vor kurzem erst wieder zum Team gestoßen ist Carina Vogt. Die Olympiasiegerin von 2014 musste sich im März einer Knie-Operation unterziehen und absolvierte seitdem eine lange Reha. „Ich merke schon, dass noch einiges fehlt, auch an Selbstvertrauen. Aber fürs Erste bin ich zufrieden mit meinen Fortschritten und dass das Knie mitmacht und ich schmerzfrei bin. Vor allem, dass ich schon Sprünge auf der Großschanze machen konnte“, bilanzierte Vogt ihre ersten Einheiten in einem Video-Interview des DSV. Die 29-Jährige hat „noch keine genauen Pläne“ was den Wiedereinstieg ins Wettkampfgeschehen angeht, vielmehr wolle sie nun an ihrer Technik arbeiten. Mit ihrem Blitz-Comeback in der vergangenen Saison samt WM-Teilnahme hatte sie jedoch bereits bewiesen, dass sie weiterhin eine wertvolle Option im DSV-Team sein kann. Darüber dürfte Bundestrainer Maximilian Mechler auch im Hinblick auf Olympia froh sein.

Wo kann man die Wettbewerbe live verfolgen?

Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF werden vorwiegend Zusammenfassungen zeigen, einige Wettbewerbe sollen aber auch live im TV oder Live-Stream gezeigt werden. Auch bei Eurosport werden Springen live zu sehen sein, vorwiegend jedoch auf Eurosport 2, also im Bezahlfernsehen. In Österreich bietet ORF Sport+ regelmäßig Live-Übertragungen an, vereinzelt laufen die Springen auch im Hauptprogramm des ORF.

» Skispringen live im TV: Die Übertragungszeiten im Überblick

skispringen.com bietet neben dem offiziellen Live-Ticker regelmäßig auch Liveblogs zu den Wettbewerbstagen mit ausführlicher Live-Berichterstattung zu allen Sprüngen. Wie gewohnt gibt es im Anschluss an die Wettkämpfe Berichte und Analysen.

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Über Luis Holuch 536 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

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