Jochen Danneberg würdigt die Leistung von Severin Freund bei der Tournee und sagt, warum es noch nicht für ganz vorne reicht. Außerdem schreibt der zweifache Tournee-Sieger über das Material und Schlierenzauer.
Das dritte von vier Springen der Vierschanzentournee ist vorüber. Natürlich ist nach dem Bergiselspringen in Innsbruck die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Peter Prevc den Gesamtsieg holt, aber entschieden ist es erst nach dem letzten Sprung am Mittwoch: Noch hat Severin Freund eine kleine Chance, aber er bräuchte jetzt ein Wunder.
Freund wird auch nach der Tournee Freude bereiten
Dennoch sollte man die Leistung Freunds würdigen. Er springt eine hervorragende Tournee und ist mit drei Podestplätzen in drei Wettkämpfen sehr beständig – ich hoffe, dass er auch beim Finale in Bischofshofen noch einmal auf dem Podium steht. Man muss akzeptieren, dass es mit Peter Prevc noch einen Springer im Feld gibt, der momentan stärker ist und der – wie man beim zweiten Durchgang in Innsbruck gesehen hat – auch bei schwierigen Bedingungen seine Leistung abrufen kann. Severin Freunds Rückstand von 20 Punkten erscheint im Moment zwar viel, in insgesamt acht Wettkampfsprüngen am Ende wäre es aber durchaus in Ordnung. Er hat sich achtbar geschlagen, ist nach meinem Eindruck aber noch nicht ganz in der Form, die er im letzten Jahr bei den Weltmeisterschaften in Falun und seiner folgenden Siegesserie hatte.
Die Trainer werden nun genau analysieren, wie er in Willingen und vor der Skiflug-WM die letzten paar Prozente herauskitzeln kann. Freund wird alles dafür tun, seine Leistungen auch bei den kommenden Saisonhöhepunkten noch abzurufen – und bei der Skiflug-WM hat er schließlich die Möglichkeit, seinen Titel zu verteidigen. Ich gehe also davon aus, dass wir auch nach der Vierschanzentournee noch viel Freude mit einem starken Severin Freund haben werden.
Wie macht Schlierenzauer weiter?
Für Gregor Schlierenzauer ist die Vierschanzentournee hingegen schon beendet. Man hat ihm zuletzt angemerkt, dass er die Situation nicht so einfach wegstecken kann. Ich halte es für die richtige Entscheidung, dass er eine Pause einlegt – die Frage ist nur, wie es danach weitergeht. Wenn er in den kommenden Tagen trainiert, könnte er vielleicht schon am Kulm zurückkehren, er könnte aber ebenso die ganze Saison vorzeitig beenden. Man muss es akzeptieren, wenn er mit der momentanen Situation nicht so gut umgehen kann. Es ist als Außenstehender schwer zu sagen, welche Pläne er hat und was er im Skispringen noch vor hat. Hier heißt es abwarten.
Große Nationen im Materialsektor überlegen
Mit viel Aufmerksamkeit habe ich die Materialdiskussionen verfolgt, die zuletzt aufgekommen sind. Neu ist das aber nicht – man hat in den vergangenen Jahren immer wieder bei verschiedenen Springern gedacht, dass deren Anzug überhaupt nicht passt. Aber ich glaube nicht, dass ein Top-Sportler wie Severin Freund einen Bonus hat und sich Dinge erlauben kann, die andere nicht können. Sicherlich haben die großen Nationen einen deutlichen Vorteil im Materialsektor, weil ihnen ganz andere Mittel zur Verfügung stehen – aber niemals würde ein Springer mit aussichtsreicher Position das bewusste Risiko einer Disqualifikation bei der Vierschanzentournee in Kauf zu nehmen.
Es ist klar, dass man sich heutzutage am Limit bewegen muss, um gewinnen zu können. Natürlich hinterlässt es einen komischen Eindruck, wenn beispielsweise in Lillehammer sieben Norweger disqualifiziert werden – natürlich liegt der Verdacht nahe, man hat hier versucht, den Grenzbereich auszuloten, um gut gerüstet in die Vierschanzentournee zu starten. Aber das gehört zum Geschäft dazu. Jeder bewegt sich am Limit.
In diesem Sinne wünsche ich allen Fans und Beteiligten ein spannendes Tournee-Finale in Bischofshofen.
Bis zum nächsten Mal,
Euer Jochen Danneberg
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