Marita Kramer ist zweifellos eine der Entdeckungen der Saison. skispringen.com bat die gebürtige Niederländerin, die für Österreich startet, beim Weltcup in Oberstdorf zum Interview.
In Apeldoorn geboren kam Marita Kramer mit ihrer sportbegeisterten Familie schon im frühen Kindesalter nach Österreich. Im immer noch zarten Alter von 18 Jahren hat die für den SK Saalfelden startende Skispringerin den Durchbruch in die Weltspitze geschafft. Bei ihrem erst 14. Weltcupstart sprang Kramer in Sapporo auf das Podium und gewann ihr erstes A-Klasse-Springen auf einer Schanze, auf der sie zuvor noch nie gesprungen war. Beim Weltcup in Oberstdorf und damit unmittelbar vor ihrem Heim-Weltcup in Hinzenbach sprach skispringen.com-Redakteur Luis Holuch mit der Sechstplatzierten des Gesamtweltcups über ihre beeindruckende Entwicklung, die Dominanz ihres Teams und über den letzten Frühling, in dem Kramer sogar über ein Karriereende nachdachte.
Marita, lass uns kurz auf dein Wochenende zurückschauen. Du konntest wieder zwei Top-Ten-Plätze erzielen, warst am Sonntag auf dem Podium. Wie würdest Du das Wochenende zusammenfassen?
Marita Kramer: Ich war am Samstag schon zufrieden, zumindest mit dem ersten Sprung. Im Training habe ich mich extrem schwergetan, weil ich auf dieser Schanze kein Gefühl aufbauen konnte. Dass ich den ersten Sprung dann so hingebracht habe, freut mich sehr. Beim zweiten weiß ich zwar immer noch nicht, was ich falsch gemacht habe, aber es scheint so zu sein, dass es eben funktioniert, oder halt auch nicht. Am Sonntag lief es dann insgesamt besser und vor allem im zweiten Sprung habe ich mich super getroffen und das hatte dann seine Auswirkungen. Das hat sich einfach nur gut angefühlt.
Kannst Du beschreiben, warum Du Probleme hattest, ein Gefühl zu entwickeln oder stellt man so etwas erst in der Videoanalyse fest?
Kramer: Ich habe nicht so recht die Position in der Anfahrt gefunden, sodass ich den Sprung oben am Tisch nicht so recht anschieben und -steuern konnte. Dass es dann aber im zweiten Sprung am Sonntag so geklappt hat, macht mich richtig happy.
Auch an diesem Wochenende wart Ihr mannschaftlich geschlossen stark, nahezu jedes Springen wird von Österreich gewonnen, wenn man die Punkte der einzelnen Springerinnen zusammenzählt. Was macht Euch momentan so stark?
Kramer: (schmunzelt) Hmm, keine Ahnung. Sicherlich pushen wir uns gegenseitig durch unsere Ergebnisse und auch durch diese Siegesserie, das ist wirklich cool. Vielleicht ist es genau das, dass wir alle mit den anderen aus dem Team mithalten wollen.
Ihr habt mit Daniela Iraschko-Stolz und Jacqueline Seifriedsberger zwei waschechte Pionierinnen im Team. Gibt es da eine klare Hierarchie oder ist es der bunte Mix, der Euch auszeichnet?
Kramer: Nein, eine Hierarchie herrscht bei uns nicht. Aber es ist natürlich klar, dass wir alle gegenseitigen Respekt voreinander haben.
Schauen wir uns mal deinen doch recht ungewöhnlichen Werdegang an. Dass man als gebürtige Niederländerin Ski fährt, ist ja gar nicht so ungewöhnlich. Dass man dann Ski springt, schon. Wie bist Du zu diesem Sport gekommen?
Kramer: Ich bin zwar in den Niederlanden geboren, aber wir sind als Familie dann früh nach Österreich gezogen. Da ist es dann naheliegend, dass man mit dem Skifahren anfängt. Und auf der Volksschule hatten wir dann einen Kurs, wo wir mit Ausrüstung für alpines Skifahren auf einem kleinen Hügel Ski gesprungen sind. Und das hat mir sehr gefallen und so bin ich dann dabei geblieben.
„Ich habe mich gefragt, ob ich nicht ein anderes Leben anfangen möchte“
Es gab aber offenbar auch eine Zeit, wo Du darüber nachgedacht hast, aufzuhören – und zwar noch, bevor es in dieser Saison so gut lief und läuft. Stimmt das, und, wenn ja, warum hast Du an ein Karriereende gedacht?
Kramer: Ja, das stimmt. Also im Frühjahr 2019 habe ich längere Zeit darüber nachgedacht, ob es nicht gescheiter wäre, dass ich das Skispringen sein lasse. Es lag nicht einmal an den Ergebnissen, aber ich habe mich gefragt, ob sich die ganze harte Arbeit auszahlt. Man muss wirklich 120 Prozent investieren, das ist ja weit weg von nichts. Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich nicht ein anderes Leben anfangen und studieren möchte. Darüber habe ich damals dann mit meinem Trainer gesprochen und wir haben entschieden, weiterzumachen und eben diese 120 Prozent zu geben. Und es sieht so aus, als ob es sich auszahlt.
Also war es letztendlich das eine Gespräch mit deinem Trainer, das Dich zum Weitermachen bewogen hat?
Kramer: Ja genau, das war mit meinem Heimtrainer vom Schiklub Saalfelden. Der Phil [Philipp Amon, ehemaliger B-Kader-Athlet des ÖSV, Anm. d. Red] ist ein Vertrauter für mich. Mit ihm kann ich gut arbeiten und der hat es geschafft, die Freude und das Feuer in mir, was beides etwas gefehlt hat, wieder zu erwecken.
Du hast in Sapporo Deinen ersten Weltcupsieg erreicht. Hast Du nach dem Saisonstart gewusst, dass Du das erreichen kannst, oder hast du dich damit selbst überrascht?
Kramer: (schmunzelt) Nein, das habe ich nicht gewusst. Aber es ist sicher etwas, das mich ungeheuer motiviert. Auch, weil es eine Belohnung für die harte Arbeit war. Jetzt gilt es dranzubleiben und immer weiterzukämpfen.
„Es hat niemand damit gerechnet, dass es so gut laufen würde“
Vor der Saison hast Du die Junioren-WM in Oberwiesenthal als großes Saisonziel ausgegeben. Hat sich durch den Saisonverlauf da etwas dran geändert?
Kramer: Das stimmt, das war das Ziel zu Saisonbeginn. Es hat ja niemand damit gerechnet, dass es so gut laufen würde. Das nehme ich jetzt alles mit als Erfahrung, die Junioren-WM bleibt aber auch so mein großes Ziel.
… trotz dass sie mit der Raw Air kollidiert?
Kramer: Ja, da hast du schon Recht. Ich finde die Raw Air ziemlich cool und ich finde die Terminierung auch etwas schade. Normal würden wir nachfliegen, aber das geht sich leider nicht aus. Es war nur eines von beidem möglich, aber ich springe ja noch länger. Mit der Raw Air klappt es also dann in der Zukunft.
Jetzt geht es ja für euch in Hinzenbach weiter. Das ist zwar ein Heim-Weltcup für Österreich, aber auch eine völlig andere Schanze. Wie stellt Ihr euch darauf ein?
Kramer: Stimmt schon, das ist eine andere Schanze. Aber im Idealfall funktioniert der Sprung auf jeder Schanze. Ich freue mich, dass es jetzt nach Hause geht, und werde dort wieder mein Bestes geben und dann sehen wir, wofür es sich ausgeht.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die restliche Saison!
Schönes Interview. Danke Luis Holuch! Weiterhin viel Erfolg für Marita Kramer!