Tomas Vancura ist der Newcomer der Tschechen, nach einem starken Sommer will der Gesamt-Zwölfte des Grand-Prix nun auch im Winter angreifen. Im Interview bei skispringen.com spricht er über den Aufschwung der Tschechen und nennt seine Ziele im WM-Winter.
Der zweite Platz beim Sommer-Grand-Prix im russischen Tschaikowski war der bisherige Höhepunkt in der noch jungen Karriere des erst 20-jährigen Tomas Vancura. Erst vor einigen Monaten wechselte er von der Nordischen Kombination in das Lager der Skispringer – und schon ist er der aktuell größte Hoffnungsträger in der Mannschaft von Cheftrainer Richard Schallert. Im Gespräch mit Redakteur Lars-Henrik Wacker spricht Tomas Vancura bei skispringen.com über den zurückliegenden Sommer, seine Vergangenheit in der Nordischen Kombination und erklärt, woran er arbeitet, um auch im Winter wieder Top-Platzierungen zu erzielen.
Tomas Vancura, über die Jahre galt das tschechische Skisprungteam als etwas „in die Jahre gekommen“ und ohne hoffnungsvolle Nachwuchstalente. Mittlerweile hat sich das Bild verändert und neue Gesichter bereichern die Mannschaft. Was zeichnet diese neue Generation um Vojtech Stursa und Sie aus?
Tomas Vancura: Neben der notwendigen Motivation und dem Fleiß ist es vor allem unsere tolle Atmosphäre. Unter uns jungen Springern herrscht immer eine gute Stimmung und wir sind gut miteinander befreundet. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass das Team für mich wie eine zweite Familie ist. Mit den Jungs verbringe ich extrem viel Zeit.
Sie das neue Gesicht der tschechischen Mannschaft, als Gesamt-Zwölfter haben Sie den Sommer-Grand-Prix als bester Tscheche beendet. Beschreiben Sie sich doch mal als Skispringer und Mensch – wo liegen Ihre Stärken und Schwächen?
Vancura: Meine Stärken sehe ich in der Technik sowie der guten Flugposition. Deshalb fühle ich mich besonders auf großen Schanzen wohl, beispielsweise am Kulm in Österreich. Doch oftmals bin ich im Training besser als in den Wettkämpfen. Ein Schwachpunkt, den ich verbessern muss. Als Person würde ich mich selbst als ruhig und gelassen charakterisieren.
„Mit Richard Schallert unterhalte ich mich auf Englisch“
Seit 2014 ist der Österreicher Richard Schallert Trainer der Tschechen. Wie wichtig ist für Sie der Cheftrainer, auch wenn er kein Tschechisch spricht?
Vancura: Für uns alle ist Richard Schallert enorm wichtig. Ich bin sehr zufrieden mit ihm, weil er ein großartiges Trainingssystem aufgebaut hat, dass uns kontinuierlich voranbringt. Was die Kommunikation betrifft, sehe ich keine Probleme. Ich trainiere meistens mit dem Assistenten Jaroslav Simek, der im ständigen Austausch zum Cheftrainer steht, die gemeinsam meine Sprünge analysieren und bewerten. Und mit „Richie“ unterhalte ich mich auf Englisch, die wichtigsten Worte kann ich.
Schallert schätzt Sie sehr. Plätze unter den besten 15, gar Top Ten hält er für möglich. Lob gibt es für Ihre Grundtechnik, doch es bestehen Defizite in der Stabilität der Sprünge. Was ist der Plan, um im Winter konstanter zu springen?
Vancura: Letztendlich geht es nur über Training. Es ist zunächst wichtig, dass ich stabile und fehlerfreie Sprünge in den Übungseinheiten absolviere. Daran arbeiten wir alle sehr intensiv, sei es auf der Schanze oder in der Halle. Ziel ist es, die vorhandene Kraft optimal in den Sprung einzubringen und dies dann auch regelmäßig in den Wettkämpfen auf höchstem Niveau abzurufen.
„Tschaikowski werden wir so schnell nicht vergessen“
Blicken wir zurück auf den Sommer und die Grand-Prix: Im russischen Tschaikowski standen Sie als zweiter auf dem Podium, auch in Hakuba sprangen für Sie Plätze unter den besten Zehn heraus. Das Finale in Klingenthal lief hingegen mit Rang 33 weniger gut. Wie fällt das Gesamtfazit aus?
Vancura: Ich bewerte den Sommer als sehr positiv. Gerade der zweite Platz in Tschaikowski war genial, auch weil mein Teamkollege Vojtech Stursa den dritten Rang belegt hat. Dieses Springen werden wir beide so schnell nicht vergessen. Zudem konnte ich meine Abläufe im Sprung verbessern. Doch wie schon erwähnt, liegt noch viel Arbeit vor mir.
Eine Szene müssen Sie uns erklären: Beim Sommer-Grand-Prix in Hinterzarten wären Sie eigentlich Zehnter geworden, wurden aber wegen der verpassten Materialkontrolle im Finale disqualifiziert. Wie konnte dieses Missgeschick passieren?
Vancura: In Hinterzarten lief es für mich sehr gut und mir hat es Spaß gemacht dort zu springen. Es war für mich der erste Wettkampf in der diesjährigen Sommerserie und ich konnte gleich überzeugen. Leider wusste ich nicht, dass die Top Ten im Sommer-Grand-Prix zur Materialkontrolle müssen. Im Continentalcup betrifft diese Kontrolle nur die Top-6. Daher dachte ich, dass ein Materialcheck nach dem Finalsprung nicht mehr notwendig sei. Sehr ärgerlich, aber jetzt weiß ich es und mir wird dieses Missgeschick sicher nicht noch einmal passieren.
„Der Fußweg zur Schanze reicht mir völlig aus“
Wie viele andere Skispringer haben Sie Ihre Vergangenheit in der Nordischen Kombination, erst 2015 sind Sie zu den Spezialspringern gewechselt. Was war der Grund für diesen Wechsel?
Vancura: Ich war im Langlauf immer schwächer als im Skispringen. Somit habe ich in den Wettkämpfen viele Plätze auf der Strecke verloren. Und das Springen hat mir sowieso mehr Spaß gemacht als das Laufen, daher war der Wechsel zum Spezialspringen die richtige Entscheidung. Der Fußweg zur Schanze reicht mir völlig aus. (lacht) Dennoch war die Zeit in der Nordischen Kombination von Vorteil, da ich eine super Ausbildung genoss und in der Jugend einen tollen Trainer hatte.
Sie starten wie die meisten Springer aus Tschechien für den Club Dukla Liberec, doch Ihre Familie lebt in Hutisko-Solanec – vier Autostunden von Liberec. Wie gehen Sie mit der großen Distanz um?
Vancura: Seit meinem 15. Lebensjahr wohne ich in einem Sportinternat in Liberec. Somit bin ich in der Nähe des Vereins und habe kurze Wege zum Training. An die Distanz gewöhnt man sich, das macht mir mittlerweile nichts aus. Klar ist mir meine Familie sehr wichtig und deshalb versuche ich sie auch so oft wie möglich zu besuchen. Im Monat ist das etwa zwei bis drei Mal der Fall, dann bleibe ich auch bis zu drei Tage in meiner Heimat.
Hat Ihre Familie eine Wintersporttradition oder wie kam es zum Wintersport im Hause Vancura?
Vancura: Ich würde schon sagen, dass wir eine kleine Tradition im Wintersport haben. Mein Vater war ebenfalls Skispringer bis zu seinem 17. Lebensalter und sprang vor allem auf Schanzen in der heutigen Slowakei. Und meine Mutter fuhr in ihrer Kindheit sehr gerne Ski. Mit Wintersport können wir also alle etwas anfangen.
Gehen Sie neben dem Skispringen noch einer beruflichen Tätigkeit nach?
Vancura: Nach meinem Schulabschluss habe ich mich voll und ganz auf das Skispringen fokussiert. Somit bin ich zur Zeit nur als Skispringer unterwegs und beim Verein Dukla Liberec angestellt.
„Ich freue mich riesig auf die neuen Saison“
Wenn es einmal nicht auf die Schanze oder zum Training geht, was sind Ihre Freizeitbeschäftigungen?
Vancura: Auch in meiner Freizeit bin ich gerne sportlich aktiv. Dann spiele ich Tennis oder setze mich auf das Rad und fahre los. Natürlich sind mir meine Freunde sehr wichtig. Wenn ich Freizeit habe, dann verbringe ich viel Zeit mit ihnen.
Werfen wir zum Abschluss ein Blick auf die neue Saison: Was sind Ihre sportlichen Ziele für den Winter?
Vancura: Ich freue mich riesig auf die neue Saison, mit großartigen Highlights wie der Vierschanzentournee oder der Nordischen Skiweltmeisterschaft in Lahti. Mein Wunsch ist es, regelmäßig unter die Top-15 zu springen. Doch das große Ziel für die neue Saison muss zunächst darin liegen, dass ich konstant gute Sprünge absolviere. Dafür werde ich bis zum Saisonauftakt hart arbeiten.
Vielen Dank für das Interview und gutes Gelingen in der anstehenden Weltcupsaison!
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