Nach Schock-Diagnose von Markeng

FIS gefordert: Skispringen auf Lösungssuche

Foto: GEPA

Nach der Schock-Diagnose bei Thomas Aasen Markeng stellt sich wieder die Frage, was gegen die Knieverletzungen im Skispringen zu tun ist. Zuletzt waren vor allem deutsche Athleten betroffen. Die FIS ist gefordert, Lösungen zu finden.

Die Reihe der Knieverletzungen im Skispringen hat am Dienstag eine traurige Fortsetzung erhalten: Thomas Aasen Markeng fällt mit Kreuzband- und Meniskusriss bis zu ein Jahr aus. Der Norweger war am Sonntag beim Einzelspringen in Klingenthal schwer gestürzt.

Seit einigen Jahren ist es ein Dauerthema, das die Skisprungszene umtreibt. Die Liste der am Kreuzband verletzten Skispringer ist lang – allen voran die deutschen Athleten waren in den vergangenen Jahren betroffen: Deutschlands Skisprung-Ass Severin Freund kämpft sich aktuell nach gleich zwei Kreuzbandrissen in den Weltcup zurück. Daneben traf es in der deutschen Mannschaft auch Olympiasieger Andreas Wellinger und Nachwuchsstar David Siegel. Im Damen-Lager waren zuletzt Carina Vogt, Ramona Straub, Gianina Ernst und Svenja Würth betroffen.

Stabbindung als Auslöser

Es ist unumstritten, dass vor allem die Stabbindung mit „gebogener Koppelstange“, die Simon Ammann bei den Olympischen Winterspielen 2010 erstmals zum Einsatz gebracht hat, für viele Verletzungen verantwortlich ist. Sie wurde bei Olympia – damals unter heftigem Protest aus Österreich, den eigentlichen Erfindern des Bindungssystems – von der FIS für regelkonform erklärt. Seitdem sind Kreuzbandrisse die häufigsten Verletzungen bei Skispringern.

Der Vorteil der Stabbindung: mit ihr lassen sich die Sprungskier planer, also aerodynamisch vorteilhaft während des Flugs ausrichten. Der Nachteil: die Landung wird dadurch umso schwieriger. Sie sind schlichtweg nicht dafür konzipiert, sicher zu landen, sondern möglichst weit zu fliegen.

Problem erkannt, aber nicht gelöst

Angesichts der zahlreichen verletzungsbedingten Ausfälle deutscher Skispringerinnen und Skispringer hat der Deutsche Skiverband (DSV) den ehemaligen Bundestrainer Werner Schuster damit beauftragt, eine Expertise zu erstellen: Was sind die Gründe für die vielen Knieverletzungen im Skispringen? Die Ergebnisse sollen auch vom Internationalen Skiverband (FIS) evaluiert werden.

Die FIS hat das Problem also erkannt, in den vergangenen Jahren aber wenig dagegen unternommen. Stattdessen hat sie versucht, sich ein Stück weit aus der Verantwortung zu nehmen: Seit 2012 können die Trainer selbst – und nicht mehr nur die Jury – eine Verkürzung des Anlaufs veranlassen, sollten sie einen zu weiten Sprung und damit um die Gesundheit ihres Athleten fürchten. Seit 2013 erhalten die Athleten dafür nur noch dann eine Punktgutschrift, wenn sie weiter als 95 Prozent des Hill-Size springen.

Keine Lösung ohne Reglementierung in Sicht

Verschiedene Hersteller von Bindungen haben es sich zwar auf die Fahnen geschrieben, eine sichere Bindung zu entwickeln. So auch der Sprungschuhhersteller „Rass“, der aktuell mit einer neuartigen Bindung experimentiert, die den gebogenen Stab durch zwei flexiblere Stahldrähte ersetzt.

Dass diese sich im internationalen Springerzirkus durchsetzen werden, ist aber vorerst nicht zu erwarten. Schließlich hat Ammann 2010 mit seinen beiden Goldmedaillen in Vancouver eindrucksvoll bewiesen, welchen Vorteil die „gebogene Koppelstange“, damals im Unterschied zu einem einfachen Band zwischen Bindung und Schuh, mit sich bringt. Längst haben alle anderen Nationen nachgezogen.

Solange es keine Patentlösung gibt, die die Vorteile der Stabbindung mit Sicherheit bei der Landung in Einklang bringt, oder die FIS eine entsprechende Reglementierung vornimmt, werden die Top-Nationen kaum auf wertvolle Meter verzichten. Es ist zu hoffen, dass bis dahin nicht noch mehr Skispringer mit Kreuzbandriss ausfallen.

Auch interessant: Eine Studie in Norwegen will aufklären, wie verletzungsanfällig Skispringer tatsächlich sind – und nimmt dabei vor allem schwere Knieverletzungen in den Fokus. Sie liefert einige interessante Erkenntnisse.

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Über Marco Ries 878 Artikel
Inhaber und Chefredakteur von skispringen.com. Hat sich nach der Jahrtausendwende am Skisprungfieber anstecken lassen und 2009 dieses Angebot gegründet. Studiert an der Universität Heidelberg und arbeitet nicht nur im Winter als freier Journalist und Autor (u.a. das Buch „Unnützes Skisprungwissen“).

17 Kommentare

  1. Trotz aller Probleme muss man auch mal folgendes konstatieren: Bei ca. 350 Sprüngen insgesamt beim Klingenthal- WmWochenende gab es nur einen Sturz. Also lasst die Kirche im Dorf bitte…

  2. Ich und mein Sprungpartner springen die neue Bindung „Rass“ und sie ist viel besser bei der Landung als der ursprüngliche Staab. Man kann mit ihr nicht mehr verkanten, dadurch gibt es keine Knieprobleme mehr und es ist so leichter im weiten Bereich eine Landung zusetzen

  3. Ja es scheint ja mit der Stabverbindung zusammen zu hängen das es zu so Schweren Verletzungen kommt
    Wäre es eventuell möglich diese Stabverbindung mit einer Sollbruchstelle auszustatten
    Bei einem Sturz sollte diese Auslösen um solche Schwerwiegende Verletzung zu minimieren
    Aber natürlich auch so das von einem Sollbruchstellen keine weiteren Verletzungen aus gehen
    Sollte man von Herstellerseite mal Überdenken

  4. Mir ist wieder in Klingenthal aufgefallen, das die deutschen Springer und Springerinnen extrem aufrecht landen, also ohne Winkelung in den großen Gelenken Hüfte und Knie (ausser dem vorgeschobenen Telemark-Bein ). Das erhöht meiner Meinung nach den Landedruck noch erheblich, denn eine grössere Winkelung minimiert den Landedruck, sublimiert ihn bzw. setzt ihn in eine gleitende Vorwärtsbewegung um. Das ist wohl physikalisch auch in anderen Sportarten oder Bewegungsmustern so. Bei keiner anderen Nation sehe ich Ähnliches, im Gegenteil, dort landen die meisten Athleten mit mehr Winkelung, den Oberkörper weiter nach vorne gekippt und nicht so aufrecht. Warum so viele Kreuzbandrisse bei deutschen Athleten? Soweit ich erkennen kann sind diese Verletzungen nicht durch Stürze zustande gekommen sondern eben bei der direkten Landung passiert und anschließend passierte der Sturz durch das instabil gewordene Knie. Sicher spielen Bindungssysteme etc.
    auch eine große Rolle. Aber jeder, der einmal aus einer gewissen Höhe mit wenig gebeugten großen Gelenken nach einem Absprung gelandet ist (beispielsweise beim Absprung vom Pferd beim Reiten) weiß wie schmerzhaft und stauchend das ist. Eine „Klappmesser-Landung“ ist in jedem Fall besser, leitet den Landedruck in eine entlastende Vorwärtsbewegung um, man sollte deshalb auch über die Bewertung der Landung neu nachdenken…

  5. Die Stabbindung ist ein Teil des Problems. Allerdings nur Teil. Geschäumte Schuhe, Carbonteile, die dafür sorgen sollen, dass der Fuß im Schuh sich so dreht, um eine möglichst plane Fläche der Skier im Flug zu ermöglichen, gehören bei der Betrachtungsweise genau so dazu. Und nach wie vor ist das Auslösen der Bindung eine weitere Ursache für schwere Verletzungen. Die im Weltcup gesprungenen Vorderteile der Bindungen lassen sich nicht oder nur sehr unzuverlässig auf den Sportler individuell einstellen, wie das bei Alpinbindungen der Fall ist. Dochdoch, werden jetzt die Befürworter der Bindung sagen, das kann man. Man kanns eben nicht. Und bei einer Vorderskilänge von bis zu 150 cm (je nach Größe des Athleten) ist das auch physikalisch nicht so ganz simpel, weil die Vorderskilänge einen enormen Hebel darstellt und extreme Impulse auf die betroffenen Gelenke auslösen kann.

    Werner Schuster, erwiesenermaßen DER Fachmann im Skisprung, jetzt mit einer Expertise zu beauftragen ist aber trotzdem in etwa wie der alte Witz von Otto Walkes: „amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Rauchen doch nicht gesundheitsschädlich ist. Gezeichnet: Dr. Marlboro..“

    • Das ist in der Tat ein Punkt, da mit Einführung der deutlich dünneren Anzüge genau diese Art von Verletzungen prognostiziert wurden. Weniger Fläche=weniger widerstand und Auftrieb, was in höheren Landedruck resultiert. Damals hieß es, dass vorerst nicht mehr die gewohnten Weiten gestanden werden können und wohl Schanzenrekorde seltene werden. Das hielt nicht lange vor.

  6. Und auch hier schreibe ich es nochmal:

    Was sollen die Sportler / Trainer den machen?
    Die Bindung wurde von der FIS für als gültig erklärt. Damit kann sich jeder aussuchen ob er mit Stab oder anderem Bindungssystem an der Start geht.
    Die deutsche Mannschaft z.B. Springt ein eigenes Stab- System von FES (keine Ahnung ob dieses löst).

    Weiter kommen viele der Verletzungen auch davon das im Skisprung hauptsächlich die vordere Kette trainiert wird und das Verhältnis der Muskulatur vorderer Oberschenkel/ hinterer Oberschenkel nicht stimmt. (Der hintere Oberschenkel baut schneller Muskulatur auf was sich im Gewicht niederschlägt). Warum das Gewicht gering sein soll wissen hier ja wohl alle.
    Zu diesen Problemen kommt dann das Bindungssystem welches den Ski star am Bein fixiert, wenn der Stab gebogen ist wird auch das nach innen Knicken des Unterschenkels verlangt. Alles Faktoren.

    Aber solange sich aber kein Herstellern ran macht ein ähnlich gut funktionierendes System zu basteln wird man sich dieser Gefahr aussetzten.

    Die Zuschauer wollen ja die großen Weiten und weiter weiter weiter. Sonst wäre ja auch das Skispringen der Nordischen Kombination beliebter – diese WK finden hauptsächlich auf der Normalschanze statt

    Und hier einen reißerischen Beitrag zu veröffentlichen macht auch nichts besser. Schon zwei mal nicht wenn auf dieser Seite schon bereits erwähnt wurde das nicht nur die Bindung der ausschlaggebende Faktor ist:

    https://www.skispringen.com/studie-klaert-auf-so-anfaellig-sind-skispringer-fuer-verletzungen/

    • Die Verletzungen haben ja seit Einführung der Bindung dramatisch zugenommen. Sicher spielen auch andere Faktoren rein, aber dass die Bindung nicht zuträglich und sicher der entscheidendste Faktor ist offensichtlich.

    • Sie wollen doch nicht mit Ihrem gewagten Kommentar, den Wissenschaftler und Verantwortlichen des DSV unterstellen das sie das Problem des Bindungs-Stabes und der daraus resultierenden Verletzungen nicht erst seit heute kennen. Es bewahrheitet sich wieder einmal die Dummheit der meisten Kommentatoren!

      • Was hinter den Kulissen getan wird, ist für einfache Zuschauer halt nicht ersichtlich. Da kann schon der Eindruck entstehen, es würde nichts getan werden. Wenn man nicht zum Bändchen zurück will und stattdessen die Stabbindung sicherer machen will, ist das vermutlich mit großem Aufwand verbunden, der Zeit braucht.

  7. Sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wieso die FIS nicht schon vor Jahren darauf reagiert hat. Man könnte die gefährliche Bindung einfach verbieten und das Skispringen wäre für alle sicherer.

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