Was reizt Sie am Skispringen am meisten?
Eisenbichler: Einfach das Gefühl zu haben, dass ich für eine gewisse Zeit alles vergessen kann. Dass ich dem ganzen Stress, den man so im Leben hat, ein bisschen entfliehen kann. Für einen Moment habe ich im Flug dann das Gefühl, ungreifbar zu sein. Die Geschwindigkeit hat mich schon immer fasziniert – sie zu spüren und dabei einfach frei zu sein. Es hat mich auch immer fasziniert, weit zu springen. Das ist ein komisches Gefühl und schwer zu beschreiben. Aber man kann nicht genug davon bekommen, will es am liebsten ständig haben, in jedem Sprung. Es geht zwar nicht immer auf, aber ich versuche, so oft wie möglich in der Luft das Gefühl von Freiheit und Schwerelosigkeit zu bekommen. Ich mag auch das Adrenalin nach dem Sprung. Wenn man landet, schießen die Emotionen in den Körper und es gefällt mir, dass ich ihnen dann freien Lauf geben kann.
Sie haben 2011 Ihr Weltcup-Debüt gegeben, der Durchbruch kam dann in der Saison 2016/2017. Was war Ihr bisheriges Karriere-Highlight?
Eisenbichler: Da gab es mehrere gute Momente. Zum Beispiel der Flug in Planica letztes Jahr mit dem deutschen Rekord. Da ist für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. So etwas wollte ich schon immer erreichen. Natürlich auch die Medaillen bei der WM letztes Jahr in Lahti. Ich habe immer noch nicht begriffen, dass es alles so passiert ist. Vielleicht begreife ich irgendwann mal, wenn ich mit dem Springen aufhöre, was ich da geschafft habe.
„Wäre gern so erfolgreich wie Kamil Stoch“
Was war der schwierigste Moment Ihrer Karriere?
Eisenbichler: Der Sturz in Oberstdorf 2014, als ich nicht wusste, wie es weiter gehen soll. Ich hatte wirklich eine schwere Verletzung im Rückenbereich. Damals wusste ich auch nicht, ob ich weiter machen soll. Davor hatte ich schon mehrere Verletzungen, einen Kreuzbandriss und Sprunggelenkverletzungen, davongetragen. Ich bin da an den Punkt gekommen, an dem ich mich fragen musste, ob ich mir das jetzt wirklich noch „antun“ will. Ich weiß ja, dass es auch noch ein Leben nach dem Skispringen gibt. In dieser Hinsicht ist es allgemein auch wichtig, ein bisschen darauf zu schauen, wie es nach der Sportkarriere weitergehen soll. Das Skispringen kann ich ja nicht ewig machen…
Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Skisprungkarriere?
Eisenbichler: Natürlich. Ich möchte mal ein Haus bauen, eine Familie gründen. Ganz normale Pläne eben. Ich möchte dann auch als Bundespolizist arbeiten. Ein Traum wäre, einmal Skisprungtrainer bei der Bundepolizei zu sein.
Und welche Ziele haben Sie noch für die Zeit als aktiver Skispringer?
Eisenbichler: Nächstes Jahr steht wieder eine WM an, da möchte ich gerne dabei sein. Ein großes Ziel von mir ist, einmal ein Weltcupspringen zu gewinnen. Mal schauen, ob das klappt. Aber ich wäre auch nicht traurig, wenn nicht. Ich habe schon viel erreicht, was ich mir gar nicht erträumt hätte. Natürlich will ich schauen, wo das Maximum meiner Leistung ist und würde gern auch mal so erfolgreich sein wie Kamil Stoch (lacht). Der dominiert sportlich und ist auch vom Charakter her ein sehr netter und angenehmer Kerl. Im Vordergrund steht für mich aber, dass mir mein Sport Spaß macht. Wenn das nicht mehr der Fall wäre, würde ich auch sofort damit aufhören. Die Zeit, die als Skispringer noch habe, will ich einfach genießen.
Andreas Wellinger hat nach seinem Olympiasieg seinem Heimtrainer Christian Winkler für die Unterstützung gedankt. Wer steht bei Ihnen im Hintergrund und arbeitet mit Ihnen?
Eisenbichler: Bei mir ist es die Bundespolizei, die mir immer den Rücken freihält. Besonders wichtig ist für mich Peter Wucher (Stützpunkttrainer an Sportschule der Bundespolizei in Bad Endorf, Anm. d. Red.). Ebenso Christian Heim, der noch mit mir Ski gesprungen ist. Er ist zwar jünger als ich, macht aber zusammen mit Peter Wucher wirklich sehr gute Arbeit. Es ist sehr angenehm, dort zu trainieren. Da bin ich eigentlich jeden Tag und trainiere zusammen mit Marinus Kraus. Für mich ist es wichtig, eine Basis zu haben. Da weiß ich, dass ich gut aufgehoben bin. Dort stehen sie auch immer hinter mir, egal wie es läuft. Dafür danke ich der Bundespolizei wirklich sehr.
„Die bayrische Kultur ist mir wichtig“
Und was haben Sie sich für den Rest der Saison vorgenommen? Mit der Raw-Air-Tour steht ja noch ein weiteres Saisonhighlight an…
Eisenbichler: In den kommenden Wettbewerben möchte ich so gut wie möglich abschneiden und um das Podest mitkämpfen, so wie es mir in Lahti gelungen ist. Ich bin froh darüber, wie ich jetzt nach Olympia wieder in den Weltcup gestartet bin. Es war nicht ganz einfach, nach so einem Schlag bei den Spielen einfach weiter zu machen. Aber ich glaube, ich bin so gefestigt, dass ich es gut verkraftet habe. Jetzt freu mich einfach auf die Raw-Air-Tour. Ich mag Skandinavien sehr. An alle Schanzen, die jetzt noch kommen, habe ich sehr positive Erinnerungen. Das Wichtigste ist, dass ich locker bleibe, auch wenn es nicht so klappen sollte, und nicht den Kopf in den Sand stecke.
Spätestens mit Ihrem Schuhplattler-Auftritt bei der Olympia-Feier im Deutschen Haus sind Sie wohl der Bayer schlechthin im Team und haben sich in die Herzen der Fans getanzt. Darf ich zum Abschluss fragen, wo Sie das gelernt haben?
Eisenbichler: Mein damals bester Schulfreund hat mir das einmal gezeigt. Dann habe ich innerhalb von fünf, zehn Minuten den ersten Schuhplattler gelernt und gemerkt, dass mir das Spaß macht. Ich mach es sogar immer noch ab und zu daheim für mich oder unter Freunden. In der Öffentlichkeit muss es eigentlich nicht sein (lacht) und es hat mich im Nachhinein sogar ein wenig beschämt, aber die Teamkollegen haben sich das gewünscht und da hab‘ ich es gerne gemacht. Für mich ist es Tradition und ich finde es gut, dass ich es kann. Sowas gehört für mich einfach dazu. Mir ist die bayrische Kultur wichtig. Lederhosen, Schuhplattlern, das mag ich gern.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute weiterhin!
Im ersten Teil des Interviews spricht Markus Eisenbichler über seine Nicht-Nominierung bei den Olympischen Spielen und die aktuelle Stärke der deutschen Mannschaft. Zurück zu Teil 1:
Danke dir!!
Toller Typ, sehr sympathisch. Gut dass er damals nicht aufgehört hat. Ich rechne ihm bei Raw Air gute Chancen so, wahrscheinlich zweitbester Deutscher hinter Wellinger. Richard Freitag zeigt mir zuletzt eindeutig zu wenig.