Norwegerin schreibt Geschichte

Nerven aus Stahl! Maren Lundby ist erste Großschanzen-Weltmeisterin

Foto: Daniel Kopatsch / OC Oberstdorf 2021

In einem nervenaufreibenden Springen krönt sich Maren Lundby in Oberstdorf zur ersten Großschanzen-Weltmeisterin der Geschichte. Die anderen Medaillen sind hart umkämpft, während die DSV-Damen solide springen.

Ihr ganzes Leben hatte sie ein Jahr lang nur auf dieses Springen ausgerichtet, nun schrieb sie wieder einmal Geschichte: Maren Lundby ist die erste Großschanzen-Weltmeisterin der Skisprung-Geschichte! In einem nervenaufreibenden Springen in Oberstdorf behielt die Norwegerin mit Sprüngen auf 128 und 130,5 Meter und 296,6 Punkten die Oberhand. Silber ging an Sara Takanashi aus Japan (126 und 134m; 287,9 P.), die nur 0,8 Punkte vor Bronzesiegerin Nika Kriznar aus Slowenien landete, die 126 und 129 Meter weit sprang und mit 287,1 Punkten ihre zweite WM-Medaille holte.

„Es ist fantastisch, ich kann gar nicht glauben, wie glücklich ich gerade bin, dass ich ausgerechnet hier bei der WM meinen ersten Saisonsieg hole! Es war ein harter Kampf in diesem Springen, aber es ist nicht nur ein Sieg für mich, sondern auch einer für alle Damen, die hier mitspringen durften“, fasste die frischgebackene Titelträgerin ihre Emotionen und die Bedeutung ihres Sieges und dieses Tages für das Damen-Skispringen in Worte. Nach dem WM-Titel 2019 im Einzel und Silber vergangene Woche auf der Normalschanze ist es Lundbys dritte WM-Einzel-Medaille, während Takanashi ihr bestes Einzelergebnis erzielte.

Turbulenter Tag für norwegisches Team

Für Lundby insbesondere, aber auch das norwegische Team ist es das Happy End eines turbulenten Tages. Nach dem positiven Corona-Test von Halvor Egner Granerud herrschte eine Zeit lang Unklarheit, ob das Team überhaupt antreten könnte. „Für uns waren die letzten 24 Stunden die schlimmsten in diesem Winter“, gab Cheftrainer Christian Meyer schon vor dem Springen zu und erklärte dann, wie die Zweifel beseitigt werden konnten: „Wir haben gestern und heute PCR-Tests machen lassen und alle waren negativ, somit waren wir heiß darauf, wieder auf die Schanze zu gehen.“

Und es fehlte nicht viel dazu, dass Norwegen sogar eine zweite Medaille eingefahren hätte. Silje Opseth lag nach dem ersten Durchgang aussichtsreich auf dem fünften Platz und segelte dann im zweiten Sprung auf 138 Meter. Als alle, inklusive sie selbst schon dachten, der Sprung sei vorbei, verlor sie bei der Ausfahrt die Balance und berührte noch vor der Sturzlinie den Schnee, was die Kampfrichter zu Recht mit Punktabzügen ahndeten, somit war die mögliche Medaille zu diesem Zeitpunkt bereits wieder vergeben.

„Zu wenig Nerven“: Kramer verpasst Medaille erneut

Ebenfalls keine Medaille gab es wieder für Marita Kramer. Die Österreicherin lag nach 126,5 Metern zur Halbzeit noch auf Platz drei, fiel dann aber mit 127,5 Metern hinter Takanashi zurück, die zuvor Vierte war. Weil auch Kriznar nicht patzte, wurde es wie schon auf der Normalschanze lediglich der vierte Platz für die 19-Jährige: „Ich fühle mich ein bisschen leer“, sagte Kramer sichtlich enttäuscht im ‚ORF‘ und gab zu: „Der vierte Platz ist schon hart. Aber irgendwie wird es weitergehen…“

Sie habe allerdings frühzeitig Gewissheit gehabt, dass es wieder nicht zu einer Medaille reicht, so die Team-Weltmeisterin weiter: „Schon im Flug habe ich die grüne Linie gesehen und ich wusste bei der Landung, dass es sich nicht ausgeht.“ Gerade weil sie aber nicht ohne Medaillen nach Hause fährt, sei sie „schon zufrieden. Die Team-Medaille war das Ziel und unser Traum.“ In der Einzel-Bilanz fühlen sich die zwei vierten Plätze jedoch nicht gut an: „Ich habe heute wieder einiges liegen gelassen, da hatte ich zu wenig Nerven.“

Mannschaftlich waren die ÖSV-Damen unter dem Strich jedoch wieder stark: Chiara Hölzl und Daniela Iraschko-Stolz belegten die Plätze acht und neun, während Sophie Sorschag als 17. ihr bestes WM-Einzelergebnis holte, nachdem sie auf der Normalschanze noch disqualifiziert wurde. Kriznars Teamkollegin Ema Klinec wurde dank der Tagesbestweite von 139,5 Metern, die sie im zweiten Durchgang sprang, Sechste vor Irina Avvakumova, die das beste russische Einzelergebnis einer Skispringerin in der WM-Geschichte erzielte.

Juliane Seyfarth wird beste Deutsche

Beste Deutsche wurde etwas überraschend Juliane Seyfarth (118 und 123 Meter), die als Zehnte ihr mit Abstand bestes Saisonergebnis einfuhr. „Es war einfach eine mega coole Atmosphäre heute und es hat großen Spaß gemacht, bei diesem allerersten WM-Wettkampf auf der Großschanze dabei gewesen sein zu dürfen. Mit meinen Sprüngen bin ich auch ganz zufrieden“, bilanzierte Seyfarth ihr Abschneiden. Katharina Althaus war mit Platz zwölf nicht gänzlich zufrieden: „Ich habe heute leider keine guten Sprünge gezeigt, da wäre mehr drin gewesen“, hob aber ebenfalls die Bedeutung der WM-Großschanzen-Premiere hervor: „Ich freue mich, dass wir jetzt genauso viele Medaillenchancen wie die Herren haben, für unseren Sport ist das ein ganz wichtiger Schritt gewesen.“

Auch Anna Rupprecht, die gute 15. wurde, wollte gar nicht groß über ihre Leistung sprechen: „Dass ich diese Premiere mitmachen durfte, ist eine riesengroße Ehre für mich und ich freue mich total für die, die hier vorne reingesprungen sind, dass sie solche tollen Sprünge gezeigt haben. Das ist extrem wichtig für unseren Sport, weil die Leute da draußen auch sehen, dass wir wirklich was drauf haben und, dass sich das Niveau in unserem Sport in den letzten Jahren stetig gesteigert hat.“ Luisa Görlich rundete mit Platz 19 ein solides deutsches Mannschaftsergebnis ab.

Bundestrainer Bauer zieht gemischtes WM-Fazit

Bundestrainer Andreas Bauer zog derweil ein gemischtes WM-Fazit: „Juliane Seyfarth, Anna Rupprecht und Luisa Görlich haben bei dieser WM ihre besten Saisonleistungen gezeigt, damit bin ich zufrieden. Katharina Althaus‘ Sprünge waren heute leider etwas fehlerbehaftet, da wäre mehr drin gewesen. Mit zwei Mal Platz zehn im Einzel bin ich allerdings nicht zufrieden, unser Anspruch muss es sein, immer ums Podest mitzukämpfen, das hat hier in Oberstdorf leider nicht geklappt. Wir müssen auch aufpassen, dass das Mixed-Gold in der Analyse nicht alles überstrahlt, wenngleich die Athletinnen dort über sich hinausgewachsen sind.“

Ins Schwärmen geriet der Bundestrainer dennoch beim Rückblick auf die Großschanzen-Premiere: „Es war ein sehr toller, sehr hochkarätiger Wettkampf mit vielen weiten Sprüngen. Ich denke, man hat gesehen, wie gut die Damen Ski springen können. Das war eine Werbung für unsere Sportart mit tollen Bildern und einer verdienten Weltmeisterin, wenngleich ich Sara Takanashi mit ihren 60 Weltcupsiegen auch mal WM-Einzel-Gold gegönnt hätte.“

Nachdem sich gegen Ende des ersten Durchgangs leichter Rückenwind eingestellt hatte, wurde zu Beginn des zweiten Durchgangs der Anlauf um eine Luke verlängert. Dadurch konnten sich auch die Springerinnen, die im hinteren Mittelfeld landeten, steigern. Größte Profiteurin dabei war die Finnin Julia Kykkänen, die sich im Vergleich zum ersten Sprung um 14 Meter steigerte, drei Plätze aufholte und so 21. wurde. Auf den Plätzen 24 und 25 landeten mit Anna Twardosz und Karolina Indrackova die beiden einzigen Springerinnen aus Polen und Tschechien, die den Sprung ins Finale schafften. Abigail Strate, der selbiges für Kanada gelang, wurde 28..

Paige Jones eröffnet historisches Springen

Aufgrund der Bedeutung dieses Springens, stellten auch jene Springerinnen, die nicht das Finale der besten 30 erreichten, das Ereignis an sich heraus. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte Paige Jones aus den USA, die um genau 17:15 Uhr als erste Springerin vom Bakken ging, skispringen.com und schob nach: „Der Sprung fühlte sich nur semi-gut an, aber die Bedeutung dessen fühlte sich wiederum großartig. Es ist ein tolles Gefühl mein eigenes kleines Stück Geschichte geschrieben zu haben.“ Jones (39.) war neben der Rumänin Daniela Haralambie, die 31. wurde, die einzige Einzelkämpferin, der kein zweiter Sprung vergönnt war.

Für die Damen ist die Nordische Ski-WM in Oberstdorf mit dieser Medaillenvergabe beendet. Für die Herren steht morgen um 17:30 Uhr die Qualifikation für das Einzel auf der Großschanze an. Die nächste Station der Damen ist der Auftakt der „Blue Bird“-Tour im russischen Nischni Tagil, wo zwei Einzelspringen auf der Normalschanze stattfinden werden (alles live bei skispringen.com).

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Über Luis Holuch 536 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

3 Kommentare

  1. Ein (zumindest in der Spitze) spannender und schön anzusehender Wettkampf. Ich hoffe, bei der nächsten Großveranstaltung ist Takanashi endlich mal dran. Schade, dass Silje Opseth nach der (zumindest versuchter) Telemarklandung(!) über Hillsize im Radius noch gestürzt ist, ohne den Sturz wäre es ein norwegischer Doppelsieg geworden. Hoffentlich entwickelt sich das Damenskispringen auch in der Breite noch weier, schade ist, dass die kleineren Nationen den Anschluss verloren haben (Frankreich, Daniela Haralambie, aber auch die ehemals in der Weltspitze springenden Nordamerikanerinnen).

  2. Ein verdienter Sieg. Und, endlich dürfen die Damen mit den Herren gleichziehen.
    Das Springen auf der Großschanze war überfällig.
    Nächstes Ziel muss das Fliegen sein.

    Danke für die ausführliche Berichterstattung.

  3. Tolle Veranstaltung mit viel Zuspruch!
    War noch draußen unterwegs und konnte sehen, daß die Leute den Fernseher an hatten und das Springen angeschaut haben. Top!

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