DSV-Teammanager im Interview

Horst Hüttel über Olympia-Tests in Peking: „Ein Land voller Kontraste“

Foto: imago / Xinhua, DSV / Montage: skispringen.com

Das zurückliegende Continentalcup-Wochenende in Peking hat zugleich als Olympia-Test fungiert. Nach den Wettkämpfen spricht DSV-Teammanager Horst Hüttel über seine Eindrücke vor Ort – und übt auch Kritik an der Vergabe nach China.

Mit einem Sieg und dem zweiten Platz von David Siegel sowie zwei dritten Plätzen von Carina Vogt ist das Continentalcup-Wochenende in Peking für die deutschen Skispringer und Skispringerinnen erfolgreich verlaufen. Mindestens genauso wichtig wie die sportlichen Ergebnisse war es aber allen Beteiligten, erste Eindrücke von der imposanten Schanzenanlage und den Bedingungen in Peking zu gewinnen – aufgrund der Corona-Lage waren es die einzigen internationalen Probe-Wettbewerbe im Vorfeld der Winterspiele, die hier im Februar 2022 beginnen.

Knapp acht Wochen vor den Olympischen Winterspielen ist eine Delegation des Deutschen Skiverbandes (DSV) mit insgesamt 10 Athletinnen und Athleten aus dem Skispringen und der Nordischen Kombination zu den Wettbewerben nach Peking gereist. Im Interview berichtet DSV-Teammanager Horst Hüttel von seinen Eindrücken vor Ort.

Herr Hüttel, welche Eindrücke haben Sie in China gewinnen können?

Horst Hüttel: Alles in allem sind unsere gemachten Erfahrungen sehr ambivalent. Zu Beginn mussten wir uns alle einem Genehmigungsprozedere unterziehen, welches extrem zeitaufwendig und umständlich war. Wenn man dies alles überstanden hat, musste man sich vor Ort in Peking und Zhangjiakou leider recht unflexiblen Gegebenheiten anpassen. Auf den Sport und dessen Belange einzugehen war im Rahmen dieser Testevents leider sehr selten möglich und ist gefühlt auch nicht Teil deren Umgangskultur.

Nennen Sie uns hierfür doch bitte ein Beispiel.

Hüttel: Jede Disziplin wurde als Art „Bubble“ organisiert, aus der man auch nicht heraus durfte. Dementsprechend war man auf den Shuttleservice vom Hotel zu den Sportanlagen angewiesen. Hier gab es beispielsweise vormittags nur die zwei Abfahrtszeiten 7 Uhr und 10 Uhr. Unser Training bzw. die Probedurchgänge begannen jedoch um 10 Uhr – aus diesem Grund mussten alle Teams die 7-Uhr-Shuttles nutzen, sodass man fast zwei Stunden sinnlos im Schanzenareal verbringen musste. Vor Ort gab es keine verantwortliche Person, die dies verändern konnte. Auch nicht für die Verantwortlichen der FIS. Es wurde den gesamten Teams nur mitgeteilt: „It is fixed“ – es ist fixiert. So etwas wäre bei einem Wettkampf in Mitteleuropa undenkbar.

„Ob man hier ein 200-Millionen-Euro-Monstrum bauen musste, müssen andere beantworten“

Wie waren ihre Eindrücke von den Sportstätten?

Hüttel: Die Sprungschanzen sind vom Profil her natürlich moderne und tolle Anlagen, jedoch auch sehr windanfällig. Ob man hier ein 200-Millionen-Euro-Monstrum mit einer Art Heiligenschein bauen musste, müssen andere beantworten. Der Kampfrichterturm ist sehr aufwendig und modern gebaut, jedoch für die Normalschanze viel zu hoch. Man kann quasi nur von oben auf die Springer schauen und nicht wie üblich von der Seite. Die Langlaufstrecken sind von der Homologierung her toll konzipiert und auch aufgrund der Höhenlage von über 1.700 Metern sehr anspruchsvoll. Wirklich angenehm sind die kurzen Wege vom Olympischen Dorf und den Außenquartieren zu den Sportstätten. Gesamt gesehen erinnert hinsichtlich der Sportstätten und Logistik vor Ort sehr vieles an die Olympischen Spiele von 2018 in Pyeongchang.

Welche Testwettkämpfe wurden durchgeführt und wie waren die Leistungen Ihrer Athleten?

Hüttel: Es wurden im Bereich Skisprung je zwei Einzelwettkämpfe für Frauen und Männer durchgeführt und in der Nordischen Kombination ebenfalls zwei Einzelwettkämpfe für die Männer, da ja die Frauen 2022 noch nicht olympisch sind. Da parallel am Wochenende Weltcups in Polen und Norwegen stattfanden, waren wir mit Ausnahme von Carina Vogt mit unseren B-Teams am Start. In der Nordischen Kombination konnte Jakob Lange beide Wettkämpfe gewinnen und im Skispringen der Männer belegte David Siegel Platz eins und zwei. Bei den Frauen war mit Carina Vogt, der Olympiasiegerin von 2014, eine Athletin mit dabei, die sich gerade aus einer Verletzung zurückkämpft. Aber auch Carina hat mit zwei dritten Plätzen gute Leistungen gezeigt, auch wenn noch nicht jeder Sprung stabil war. Da auch noch weitere Athletinnen und Athleten gute Leistungen gezeigt haben, bin ich mit der sportlichen Bilanz sehr zufrieden.

„Eine Kultur einer Sportart kann man nicht künstlich erzeugen“

Wie sehen Sie grundsätzlich die Vergabe der Olympischen Spiele an China hinsichtlich der Tradition des Wintersports und der Situation der Menschenrechte?

Hüttel: Hinsichtlich des nordischen Skisports gibt es in China keine Tradition und die wird es dort auch niemals geben. Eine Kultur in einer Sportart kann man nicht künstlich erzeugen, dies muss von innen heraus wachsen. Alle Hoffnungen, die damit verbunden sind, werden sich nach den Spielen wieder in Luft auflösen, wie dies auch schon 2018 in Pyeongchang der Fall war. Hier versucht das IOC eine Vision zu verbreiten, die niemals in Erfüllung gehen wird. Die Situation der Menschenrechte sehe ich natürlich ebenfalls sehr kritisch, doch diese Diskussion hätte man vor sieben Jahren führen müssen, als es um die Vergabe der Spiele ging. Jetzt, acht Wochen vorher verändert man hier leider nichts mehr.

Wie fällt Ihr abschließendes Fazit aus?

Hüttel: Wir alle haben ein Land und eine Kultur voller Kontraste kennengelernt. Einerseits extrem starr und unflexibel, andererseits aber auch liebevoll und hilfsbereit. Die Hierarchien, die das chinesische System und Leben durchziehen, sind an allen Ecken und Enden zu spüren. Die Sportstätten wären jetzt schon bereit für Olympia und die Testevents waren abgesehen von diversen Einzelpunkten grundsätzlich gut organisiert. Auch die Verpflegung im Hotel war absolut okay. Ich denke jedoch, dass bis zu Beginn der Spiele organisatorisch noch einiges passieren muss und auch wird.

Herr Hüttel, vielen Dank für das Gespräch.

Die deutsche Mannschaft nach einem erfolgreichen Test-Wochenende im Rahmen des Continentalcups für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. (Foto: privat)

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8 Kommentare

  1. Timo Boll betreibt Volkssport der Chinesen. Deswegen ist er dort populär. Und Hannawald, Schmitt und Co waren hier berühmt und nicht in China. Ich bin mit dir einverstanden, das Skispringen sehr spektakulär ist. Aber Chinesen wird das nicht besonders interessieren. Auch wenn Zuschauer zu Sprung Wettbewerben kommen. Nachhaltige Entwicklung wird in China nicht geben. Das betrifft nicht nur Skispringen sonder auch andere Wintersportarte. Genau wie in Korea der Fall war

  2. Lukas: Kein chinesischer Sponsor bringt Begeisterung für Wintersport im chinesischen Volk. Und Fussbal? Fussbal ist was anderes. Chinesische Mannschaft war nur einmal bei der Fussbal WM. 2002

    • Die Zuschauer bringen die Sponsoren. Zu den Goldenen Zeiten von Martin Schmitt, Sven Hanawald und Adam Malysz haben sich die Jungs dumm und dämlich verdient. Warum? Weil in der Spitze über 10 Millionen die Wettbewerbe vor dem TV verfolgt haben. Skispringen ist mit Abstand die spektakulärste und dramatische Wintersportart. Es müssen nicht immer die eigenen Landsmänner sein die man sympathisch findet. Ein Tande hat nicht nur Anhänger in Norwegen. Habe auch gehört, dass Timo Boll in China bekannter ist als in Deutschland.

  3. Nie im Leben werden die Chinesen an Skispringen interessieren. Das gleiche gilt für Biathlon, Rodeln, Bob, NK und andere Winter Sportarten. Höchsten Eiskunstlauf und Eisschnelllauf. Und wer von chinesischen Sponsoren im Wintersport redet, der hat gar keine Ahnung

    • Natürlich habe ich keine Ahnung. Bei der WM in Innsbruck 2019 war Haier Smart Home beim Skispringen der Hauptsponsor. Beim aktuellen Bob/Skeloton Weltcup ist CAISSA Touristic ein chinesisches Reiseunternehmen Sponsor. Bei der Fussball-EM in diesem Jahr gab es 4 Sponsoren aus China (Alipay, Hisense, TikTok und Vivo), obwohl Fussball in China eine Nische ist. Ich bin gespannt wie das Skispringen dort aufgenommen wird und was daraus folgt. Aus meiner Sicht ist das eine große Chance. Die Flinte vorher ins Korn zu werfen ist sehr schwach.

  4. Diese Anlage ist nicht die erste und wird leider auch nicht die letzte sein die eigentlich nur für ein Event in die Natur gepflaster wird für Wahnsinnssummen. Es ist nur noch zum Erbrechen…Wer stoppt endlich dieses IOC und zur Zeit diesen Herrn Bach…

    • 2026 sind wir in Predazzo gesprungen, 2030 steht noch nicht fest. Offiziel beworben haben sich Vancouver, Sapporo, Salt Lake City und Barcelona (dort würden die Sportler in Courchevel springen). Alles Orte an denen Schanzenanlagen stehen.

      Jetzt hat China wenigstens eine schöne Anlage und wer weiß. Vielleicht finden die Chinesen so einen Gefallen an dieser Sportart, dass dort ein kleiner Zuschauerboom entsteht. Dort leben 1,4 Milliarden Menschen, wenn auch nur ein paar Millionen dort die Sportart neu für sich entdecken und für das Skispringen nachhaltig interessieren, dann ist finanziell durch neue Sponsoren einiges drin. Auch die Sportler können dort neue Fans gewinnen, in völig anderen Dimensionen.

  5. Ich stimme dem Herr Hüttel voll zu. IOC hat sich in so prekäre Lage gebracht, mir Gigantismus mit Geldgier . Klassische Wintersportnationen wie Norwegen, Schweden, Schweiz, Österreich, Deutschland wollen einfach diesen Wahnsinn nicht mitmachen. Diese klassische Wintersport Länder, sind aber weiterhin heiß, die Weltmeisterschaften auszutragen,also die Begeisterung für Wintersport ist da. Natürlich Pandemie wird bei der Vergabe der Events auch eine Rolle spielen, leider

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