Die norwegischen und US-amerikanischen Skispringerinnen wurden beim Weltcup in Lillehammer noch im Auslauf mit XXL-Schecks überrascht. Was dahintersteckt und was es bedeutet.
Norwegens Skispringerinnen lagen sich nach dem Doppelsieg von Silje Opseth und Anna Odine Stroem in Lillehammer am Sonntagabend freudetrunken in den Armen. Doch zu diesem Zeitpunkt konnten weder sie noch sonst jemand ahnen, dass die Krönung des Tages noch folgen sollte. Wie auch, denn die Ereignisse waren wie sonst auch: Ein kurzes Siegerinterview für das Weltbild, danach die Siegerehrung mit Nationalhymne und Podestfotos. Doch dann tauchte plötzlich eine Gruppe Leute mit überdimensionalen Schecks auf und überraschte alle Anwesenden – und wie.
„Es hatte niemand eine Ahnung, dass so etwas passieren würde. Nicht den blassesten Schimmer“, berichtete Stadionsprecher Petter Tenstad skispringen.com und präzisierte: „Nicht mal ich selbst, der das dann verkünden sollte.“ Was Tenstad dann verkündete, war eine revolutionäre und einzigartige Initiative eines Versicherungsunternehmens, das auf Rechtsschutz spezialisiert ist. Dieses schüttet ab sofort den norwegischen Springerinnen ein zusätzliches Preisgeld aus, wodurch sie exakt das gleiche pro Weltcuppunkt verdienen wie ihre männlichen Kollegen – zumindest bei Weltcups im eigenen Land, von denen während der Raw-Air-Tour noch je zwei weitere in Lillehammer und Oslo stattfinden werden.
Equal-Pay wird in Norwegen gelebt
Aus dem regulären Preisgeldtopf erhielt Opseth für ihren ersten Platz 4.000 Schweizer Franken (CHF) und somit 8.000 weniger als etwa ihr Landsmann Halvor Egner Granerud, der gemeinsam mit Stefan Kraft in Ruka siegte, ebenso wie Anze Lanisek am Vortag. Jene drei erhielten je 12.000 (CHF) und damit das Dreifache von dem, was eine Siegerin erhält. Die Differenz von 8.000 CHF übernahm nun der Großsponsor. Der Scheck ist sogar mit 86.600 Norwegischen Kronen (NOK) dotiert, was nach aktuellem Wechselkurs sogar 8.201,89 CHF entspricht. Auch Stroem durfte sich statt über 3.200 CHF nun über 9.500 CHF auf ihrem Konto freuen.
„‚HELP‘ hat sich entschieden, das Preisgeld zwischen Damen und Herren bei allen Weltcupspringen auf norwegischem Boden auszugleichen. An diesem Wochenende sind insgesamt 224.200 NOK (entspricht 21.233,98 CHF, Anm. d. Red.) zusammengekommen“, teilte der norwegische Verband mit. Petter Tenstad nahm im Auslauf wahr, „dass die Gesichter der Springerinnen voller Emotionen waren. Natürlich viel Freude, aber auch etwas Bitterkeit, weil ihnen wieder bewusst wurde, wie groß der Pay-Gap ist. Dennoch waren es sehr bewegende Momente.“
Auch das US-Team profitiert: „Großartige Motivation“
Und das galt auch für die beiden US-Amerikanerinnen Annika Belshaw und Paige Jones, die ihre ersten Weltcuppunkte holen konnten, denn auch die ans norwegische Team angedockten US-Amerikanerinnen werden durch die Initiative begünstigt. Während Belshaw als 20. auch Geld aus dem Preisgeldtopf des Veranstalters, den die FIS verlangt, erhielt, wäre Jones als 29. leer ausgegangen, da im Damen-Weltcup nur die Top 25 Preisgeld erhalten. Stattdessen erhielt Jones aber nun 2.000 NOK und war im Gespräch mit skispringen.com ebenfalls spürbar bewegt: „Es ist wichtig zu zeigen, dass diese Gleichberechtigung möglich ist und die Norweger lassen ihren Worten Taten folgen.“
Die 20-Jährige aus Park City kam aus dem Schwärmen kaum heraus: „Dass wir seit Sommer die Unterstützung und das Wissen der Norweger haben, ist eine großartige Ergänzung für unser Team und es ist eine große Motivation, mit den Besten der Welt zu trainieren. Für Annika und mich war der Sonntag ein großartiger Tag. Ich habe zwei Jahre lang versucht, diese Weltcuppunkte zu holen und konnte leider länger gar nicht antreten, nachdem ich mir den Knöchel gebrochen hatte.“ Diese Odyssee fand nun ein Happy End, vielleicht ja sogar nur ein vorläufiges.
Ich hoffe wirklich, dass wir irgendwann auch Damenspringen ohne Bezahlschranke sehen können und nicht nur sehen können, wenn sie an der gleichen Station wie die Männer sind.
Und zusätzlich sollte definitiv auch diese Pay Gap nicht mehr da sein.