Tops & Flops

WM in Planica: Skisportfest auf Sparflamme

Mit einem hochverdienten Mannschaftssieg der Slowenen gingen die Skisprung-Entscheidungen der Nordischen Ski-WM 2023 in Planica zu Ende. skispringen.com zieht Bilanz – das waren die Tops und Flops.

„Willkommen zuhause, willkommen in Planica“ lautete das Motto dieser 54. Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Planica. Und niemand verkörperte dies am Samstagabend besser als Lovro Kos, Ziga Jelar, Timi Zajc und Anze Lanisek, die nach dem ersten WM-Titel im Teamspringen überhaupt das Bad in der Menge sichtlich genossen. Es war der versöhnliche Abschluss eines Skisportfests auf Sparflamme. Wer sich abseits der Gastgeber willkommen fühlte und wer nicht, und was nach zwölf Wettkampftagen bleibt, arbeitet skispringen.com auf – in den Tops und Flops.

Bei einem Großereignis, und die WM ist nun mal ein solches, zählen bekanntlich in erster Linie Medaillen. Wer für die Titelkämpfe in Planica auf ganze drei Gold-, sowie je eine Silber- und Bronzemedaille für die deutsche Skisprung-Mannschaft gewettet hätte, wäre jetzt um ein gutes Stück reicher. Wirklich absehbar war dies im Vorfeld nämlich nicht, gerade auf Seiten des Herren-Teams, bei dem bereits nach der verkorksten Vierschanzentournee vieles in Frage gestellt wurde. Intern aber behielt man die Ruhe, ging seinen Weg unbeirrt weiter – und wurde belohnt.

Katharina Althaus wird zum Gesicht der WM

Die Einzige, die am 21. Februar als echte Medaillenanwärterin ins erste offizielle Training ging, war Katharina Althaus. Und sie, die bis dato trotz vier WM-Goldmedaillen von vielen als dauerhafte Zweite abgestempelt wurde, brillierte. Ein nervenstarker Auftritt im Normalschanzen-Einzel, eine Leistung einer waschechter Leaderin im Team– und der „Game Changer“ (Zitat Karl Geiger) im Mixed-Team-Springen, mit drei Goldmedaillen und Bronze auf der Großschanze wurde sie zum Gesicht dieser WM. Und ebenso völlig zu Recht zur Sportlerin des Monats Februar gewählt.

Noch bevor ihre männlichen Kollegen ihren ersten Wettkampf absolviert hatten, standen bereits zwei Goldmedaillen für den DSV zubuche, der ganz große Druck war weg. Umso bemerkenswerter waren deshalb die Leistungen von Andreas Wellinger und Karl Geiger im Normalschanzen-Einzel. In einem Wettkampf, wie er enger kaum hätte sein können, sprangen sie zu Silber und Bronze, während andere namhafte Medaillenkandidaten in die Röhre guckten und nicht nur in diesem Springen leer ausgingen.

Wie schon 2021: Diskussionen über Jury-Entscheide

Dass mit Piotr Zyla der alte auch der neue Weltmeister wurde, war ein ganz eigenes Kapitel eines eigenartigen Wettkampfs. Schon bei den ersten Startnummern zeichnete sich ab, dass die Anlaufwahl der Jury, wie schon bei den Olympischen Spielen in Peking im Jahr zuvor, doch recht großzügig war. Springer, die im Saisonverlauf Mühe hatten, in die Weltcuppunkte zu kommen, sprangen plötzlich an die 100 Meter und freuten sich – aber nur solange, bis sie feststellten, dass sie damit nicht etwa vorne, sondern im dichten Mittelfeld landeten.

Ganze drei Schanzenrekorde gab es in diesem Springen. Einer davon vom Ukrainer Yevhen Marusiak, der als erster Vertreter seines Landes auf beiden Schanzen unter die besten 30 sprang. Der letzte von 105 Metern von Zyla, der nach dem ersten Durchgang 13. war, bescherte ihm sein zweites Einzel-Gold. Der erste, der dem Polen gratulierte, war Halvor Egner Granerud. Der Norweger war nur drei Springer nach dem späteren Sieger gesprungen und war sich sicher, dass dieser nicht mehr vom Thron zu verdrängen war. Wie auch, wenn dessen Kontrahenten angesichts der engen Abstände gezwungen gewesen wären, noch weiter zu springen als der Pole?

» WM-Ticker: Alle wichtigen Ereignisse der Nordischen Ski-WM 2023 in Planica zum Nachlesen

Dies zu vermeiden, wäre die Aufgabe der Wettkampfleitung gewesen. Dass in diesem Wettkampf der Anlauf trotz eines Sprungs, der drei Meter über die Hillsize ging, mutet im Nachhinein gleich doppelt seltsam an, wenn im Mixed-Team nach einem Sprung desselben Piotr Zyla auf 101 Meter sofort verkürzt wird. Noch hektischer ging es im Großschanzen-Einzel der Damen zu, wo im ersten Durchgang gleich sieben Mal die Luke gewechselt wurde, während der zweite dann aus einer einzigen durchgezogen wurde. Dass in diesem Springen auch noch die fällige Kalkulation falsch angewandt wurde, war die krönende Kuriosität.

Warum sich Maren Lundby für nichts entschuldigen muss

Noch bevor dieser korrigiert wurde, erhitzten Diskussionen um die Kampfrichternoten die Gemüter. Mal wieder bei einem WM-Wettkampf der Skispringerinnen, und mal wieder ging es um Maren Lundby. Bei ihrem Schanzenrekord von 139,5 Metern, durch den sie nach dem ersten Durchgang auf dem geteilten ersten Rang lag, hatte sie mit einer Hand den Schnee berührt – was den Sprungrichtern aber entgangen war und somit ihnen und nicht Lundby vorzuwerfen ist.

Weil Alexandria Loutitt aber noch ein Stückchen besser sprang als die Norwegerin und völlig verdient Gold und die erste WM-Medaille für Kanada überhaupt gewann, wurde es schlussendlich Silber für die Titelverteidigerin. Unrechtmäßig, wie manche Beobachter meinten, war das jedoch nicht. Denn selbst bei einem Punktabzug, wie es ihn für ihren Schneekontakt hätte geben müssen, hätte sie statt der 45 Haltungspunkte etwa 37,5 bekommen müssen, wie ein FIS-Sprungrichter skispringen.com bestätigte. Auch damit wäre sie auf dem zweiten Platz geblieben. Entschuldigen muss sich Lundby somit für nichts. Vielmehr ist dieses Silber eine grandiose Leistung angesichts ihrer mehr als 500-tägigen Auszeit, die sich spätestens jetzt als goldrichtige Entscheidung erwies.

Timi Zajc rettet die Heim-WM

Eine ebenso weise Entscheidung ebnete womöglich schon im Dezember 2020 den Weg zu einer am Ende doch erfolgreichen Heim-WM für die Slowenen. Denn ausgerechnet in Planica trat der damalige Nationaltrainer Gorazd Bertoncelj zurück, Robert Hrgota wurde sein Nachfolger. Genau der steht keine zweieinhalb Jahre später mit zwei Mal Gold und ein Mal Bronze da. Verantwortlich für diesen Wechsel war jedoch ein gewisser Timi Zajc, der seiner Unzufriedenheit über Hrgotas Vorgänger über die Medien Luft machte und dafür, auch zu Recht, zunächst suspendiert wurde.

Keine zweieinhalb Jahre später ist genau dieser Timi Zajc der erste Einzel-Weltmeister seit Rok Benkovic im Jahr 2005 und auch ein Teil des Teams, das den ersten Team-Titel des Landes holte. Zudem half er mit, dass auch seine Landsfrauen, die dem Druck bei ihren Wettkämpfen offenbar nicht ganz gewachsen waren, zumindest im Mixed mit Bronze nicht ganz leer ausgingen. Bei größtmöglichem Druck und mit einer nicht unbrisanten Vorgeschichte, lieferte er ab. Und das, nachdem er und sein Team den heftigen Sturz von Peter Prevc erleben und dann verdauen mussten.

Dass der Dominator der bisherigen Saison, Halvor Egner Granerud, wieder ohne Einzelmedaille nach Hause fährt, ist hingegen der beste Beweis dafür, dass bei Großereignissen die Karten völlig neu gemischt werden. Granerud ist in der Rangliste der Springern mit den meisten Weltcuppunkten aber ohne WM-Einzelmedaille auf Rang sieben und könnte bis zu den nächsten Titelkämpfen 2025 in seiner Wahlheimat Trondheim sogar an die Spitze klettern. Aktuell steht dort Michael Hayböck, der diesen Titel, den nun wirklich niemand haben möchte, nur zu gerne abgeben würde.

Veranstalter verzocken sich bei Ticketpreisen

Eine Fehlentscheidung traf schon vor Beginn der Weltmeisterschaft das Organisationskomittee (OK) mit seiner Preisgestaltung für die Eintrittskarten. Zwischen 100.000 und 150.000 Karten wollte man insgesamt verkaufen – und scheiterte mit diesem Vorhaben krachend. Nicht mal 30.000 Besucher waren es in der ersten Woche – also nicht mal viele wie sonst an einem guten Samstag beim Weltcup-Finale. Einzig der Freitag und der Samstag mitsamt der hochverdienten Titel durch Zajc im Einzel und die Mannschaft wurde den ursprünglichen Erwartungen gerecht.

Entsprechend korrigierte OK-Generelsekretär Tomaz Sustersic die Zielsetzung schon während der ersten WM-Woche gegenüber ’24ur.com‘ auf „50.000 bis 100.000“. Ähnlich kreativ war man bei der Suche nach Gründen für diese sprichwörtliche Pleite: Von der immer noch gegenwärtigen Covid-19-Problematik war die Rede, trotz abgeschaffter Maßnahmen. Auch der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Inflation wurde gerne hergenommen, nie aber der eigentliche Grund, der insbesondere Einheimische abgeschreckt hat: Die Ticketpreise.

An keinem der Wettkampftage im Skispringen war das günstigste Standardticket günstiger als 49 Euro. Zum Vergleich: Der Preis für das teuerste Standardticket bei der zurückliegenden Vierschanzentournee lag immer noch unter 40 Euro, das reguläre Tagesticket beim Weltcupfinale kostet 35 Euro. Dass man in Planica die Tickets bezogen auf die einzelnen Wettkampftage und nicht auf einzelne Medaillentscheidungen anbot, war nur logisch, schließlich ist das Wettkampfareal so kompakt, dass Skisprungfans automatisch auch einen Blick auf die Langlaufloipen erhaschen. Mit den geforderten Preisen verzockte sich das OK jedoch schlicht und so bleibt unter dem Strich: Die Zuschauerkulisse war der Bedeutung einer Weltmeisterschaft nicht würdig.

ZDF muss sich Kritik gefallen lassen

Insbesondere Familien, die pro Tag also schnell mal einen dreistelligen Eurobetrag losgeworden wären, wären sie nach Planica gefahren, setzten sich deshalb lieber vor das TV-Gerät. Ob die Übertragungen dort gefielen, ist ja bekanntlich Geschmackssache und hängt auch viel an der Sympathie für die Berichterstatter. Bestes Beispiel: Die Verkündung von Severin Freund als Nachfolger von Toni Innauer als Skisprung-Experte des ‚ZDF‘. Für jeden Fan, der sich über diese Meldung freute, fand sich auch einer, der Innauers Abgang bedauerte.

Eindeutig war die Meinung des TV-Publikums jedoch über den vorzeitigen Ausstieg desselben Mainzer Senders aus der Übertragung beim Herren-Einzel und des Mixed-Team-Springens: Das war ein Unding. Natürlich hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen breitgefächerten Sendeauftrag und ist nicht nur dafür da, Sport zu zeigen. Dass man jedoch in der entscheidenden Phase eines Wettkampfs aussteigt, dadurch deutsche Medaillen verpasst und das am nächsten Tag genau so wiederholt, ist für Skisprung-Fans schwer nachvollziehbar und noch schwerer zu ertragen.

Dass es anders geht, bewiesen die Kollegen des norwegische Rundfunks ‚NRK‘. Auch dort gibt es Nachrichten um 19 Uhr, die fest im TV-Programm verankert sind, doch die Planer reagierten wesentlich sensibler und verschoben diese bei beiden Einzel-Entscheidungen auf der Großschanze nach hinten. Flexibilität und gleiches Recht für alle also, geradezu beispielhaft. Wie passend, dass die Weltcup-Saison nun mit der Raw-Air-Tour und damit in Norwegen fortgesetzt wird.

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Über Luis Holuch 536 Artikel
Seit 2010 als Journalist tätig und hat 2017 sein erstes Buch veröffentlicht. Wie es die Leidenschaft wollte, ging es darin um das Damen-Skispringen. Genau dafür ist er bei skispringen.com auch primär zuständig. Kommentierte den offiziellen Live-Stream der Junioren-WM 2020, sowie die FIS-Classics-Serie und die Continentalcup-Finals der Nordischen Kombination.

5 Kommentare

  1. Ja, ich ärgere mich auch schon länger über das despektierliche Verhalten der öffentlich Rechtlichen. Das Springen hat längst begonnen, da wird immer noch gelabert. Skispringen beginnt mit der Startnummer 1 und nicht mit dem ersten Deutschen!
    Echt zum schämen.

    • Das hier sind ja noch deren geringste Vergehen und Verfehlungen, wenn man schon das Wort „Sendeauftrag“ in den Mund nimmt. Dieser völlig überfinanzierte Propaganda-und Selbstbedienungs-Laden gehört komplett abgeschafft oder auf das reduziert, was wirklich im Rundfunkstaatsvertrag steht… Ich rege mich schon wieder auf, obwohl ich seit 20 Jahren nicht mehr dafür zahle…Angewohnheit 😀

      • 20 Jahre keine GEZ bezahlt und dann über die ÖR aufregen. Staats Propaganda finden Sie in Nord Korea und Russland, aber nicht in Deutschen TV, aber typisch Schwurbler.

  2. ZDF ist eine Schande. So wie die insgesamt über die Jahre über Skispringen berichteten, ist einfach bodenlose Frechheit. Man könnte Heute Nachrichten an einem Samstag und Sonntag auch halbe Stunde später zeigen. Schließlich waren beide Wettbewerbe WM Springen. Auch Siegerehrungungen und Nachberichte wurden komplett vernachlässigt. Einfach zum Schämen.

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