Die Saison 2020/2021 war zweifellos die außergewöhnlichste in der Geschichte des Damen-Skispringens. skispringen.com blickt in einer kommentierenden Analyse zurück, hier sind die Tops & Flops.
Die zehnte Weltcup-Saison der Skispringerinnen war zugleich auch die außergewöhnlichste. Was die Rahmenbedingungen angeht, kann man nicht von einer würdigen Jubiläumssaison sprechen. Schließlich wurde lediglich kurz vor Saisonende in Nischni Tagil vor Zuschauern gesprungen. Doch nicht nur die Corona-Pandemie war verantwortlich dafür, dass vieles nicht jene Beachtung bekam, welche angebracht gewesen wäre. skispringen.com nimmt sich in „Tops und Flops“ den Platz, auf alle großen und kleinen Geschichten zurückzublicken und diese einzuordnen.
Beginnen möchten wir mit den sportlichen Schlagzeilen, die uns dieser Winter lieferte. Die strahlende Siegerin eines unfassbar spannenden, engen und hochklassigen Kampfs um den Gesamtweltcup hieß schlussendlich Nika Kriznar. Dass die Slowenin zu Top-Resultaten in der Lage ist, wusste man aus den aus den drei Saisons zuvor, die sie stets unter den Top Ten im Gesamtweltcup beendete. Doch, was hat dazu geführt, dass die nun 21-Jährige in zehn der 13 Springen auf dem Podest landete und ihre ersten beiden Weltcupsiege holte? „Die Vorbereitung auf diese Saison war sehr gut. Nicht nur für mich persönlich, sondern für unser gesamtes Team. Wir haben immer super zusammengehalten und ich war fast immer nicht an- sondern entspannt vor den Springen“, meinte Kriznar auf der Abschlusspressekonferenz.
Kriznar, Takanashi und Kramer pushen sich zu Höchstleistungen
Schmale neun respektive elf Punkte lag die Slowenin in der Endabrechnung vor Sara Takanashi und Marita Kramer, die (zum großen Teil sicher ungewollt) als „harte Konkurrenz“ ebenso Anteil an Kriznars Triumph hatten. Mitentscheidend war hierbei: Sie holte in allen Springen Punkte und wurde selbst in ihrem schlechtesten Wettkampf Zehnte. Takanashi wiederum ging als Führende in das Weltcup-Finale auf der Großschanze in Tschaikowski – und zeigte wieder mal Nerven. Dennoch bekundete sie in ihrem persönlichen Fazit: „Ich bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich in dieser Saison erreicht habe. Das Level im Damen-Skispringen ist immer stärker geworden und ich habe es geschafft, mich dem anzupassen und das macht mich glücklich.“
Dass Marita Kramer trotz sieben Siegen nicht als Gesamtweltcupsiegerin dasteht, unterstreicht Takanashis Zeugnis für das Damen-Skispringen. Gleichwohl drückt ihre Statistik schon aus, dass sie die dominierende Springerin dieser Saison war. Sie war eine der sechs Springerinnen, die in dieser Saison auf dem Weltcup-Podium standen und eine von fünf, die dies schon vor dieser Saison geschafft hatten. Was dazu beigetragen hat, dass es sich für die 19-Jährige nicht ausgegangen ist, wird im weiteren Verlauf noch Thema sein.
Turbulente Saison für Opseth, Kvandal und Lundby
Eine ebenso turbulente Saison erlebte das norwegische Team, das dennoch seine ganz eigenen Geschichten schrieb. Sie stellten mit Eirin Maria Kvandal nämlich jene Springerin, die der einzige Podest-Neuling war. Bei ihrem erst zweiten Start schockte sie die Skisprung-Welt mit ihrem Sieg in Ljubno, was zugleich auch der erste Stockerl-Platz für Norwegen in der damals noch jungen Saison war. Auch auf der Großschanze in Titisee-Neustadt mischte sie vorne mit, ehe sie in Hinzenbach einen dritten Platz erzielen konnte. Doch nur zwei Tage später war ihre Saison nach einem heftigen und folgenschweren Sturz schon wieder beendet.
Es war der nächste Nackenschlag für das norwegische Team, das zu diesem Zeitpunkt schon die endgültige Absage des Heim-Weltcups in Lillehammer, eine fast missglückte Anreise nach Ljubno und dazu auf dem Weg nach Hinzenbach noch verschollene Ski beklagte. Dennoch überzeugte vor allem Silje Opseth mit insgesamt sieben Podestplätzen und dem vierten Rang im Gesamtweltcup. Nur eine Einzelmedaille bei der WM in Oberstdorf und ihr erster Weltcupsieg wollten (noch) nicht herausspringen. Auch Thea Minyan Bjoerseth, die in Lahti Junioren-Weltmeisterin wurde, avancierte mit vier Top-Ten-Plätzen im Weltcup zu einem Shootingstar.
Die wohl bislang härteste Saison ihrer Karriere erlebte Maren Lundby. Schon die Vorbereitung war aufgrund des „Springer-Knie“ alles andere als optimal, vier Monate musste die dreifache Gesamtweltcupsiegerin mit dem Sprungtraining aussetzen. Dennoch schnitt sie im Weltcup nie schlechter als Platz acht ab, blieb aber ohne Podest. Ihre große Stunde schlug dann bei der WM-Großschanzen-Premiere in Oberstdorf, bei der sie sich zur Weltmeisterin krönte. Ein Jahr hatte sie ihr Leben auf diesen Wettkampf ausgerichtet – und es ging sich aus. Dass sie nach ihrer Heimkehr körperlich so angeschlagen war, dass sie auf die „Blue Bird“-Tour verzichtete, überraschte daher nicht.
WM in Oberstdorf als Highlight – vor allem für den DSV
„Das ist nicht nur ein großer Sieg für mich, sondern für alle Skispringerinnen“, betonte Lundby nach ihrem Triumph. Ein Zitat, das sinnbildlich für ihre Vorreiterrolle in dieser Sportart steht. Angesichts nur zweier Großschanzen-Springen im Saisonverlauf bis dato, war das Niveau dieses Springens umso höher zu beurteilen – und zeigte hoffentlich auch den letzten Kritikern, dass auch Frauen sehr gut und weit springen können.
Ebenso beeindruckend war auch die Nervenstärke von Ema Klinec, die Normalschanzen-Weltmeisterin wurde, ohne zuvor ein Weltcup-Springen gewonnen zu haben. Das gelang zuvor nur Lindsey Van (2009) und Daniela Iraschko (2011), allerdings zu einer Zeit, in der es noch keinen Weltcup für die Damen gab. In einem hochspannenden und viel diskutierten Wettkampf blieb die Slowenin cool und wurde plötzlich zu einer Volksheldin. Auf der anderen Seite konnte Sara Takanashi ihren persönlichen Großereignis-Fluch nicht besiegen und musste sich mit Silber auf der Normal- und Bronze auf der Großschanze zufriedengeben.
Das größte Herzschlagfinale unter den vielen während der zwei Wochen in Oberstdorf gab es im Teamspringen, in dem sich Österreich und Slowenien ein episches Duell um den WM-Titel lieferten. Nach acht Sprüngen lagen die ÖSV-Damen die Winzigkeit von 1,4 Punkten vor ihren Kontrahentinnen und das keine 24 Stunden nach dem Normalschanzen-Einzel. Ganz so knapp wurde es im Nationencup nicht, dennoch war das Duell das gleiche. Schlussendlich setzten sich auch hier die Österreicherinnen verdient durch, nachdem sie das Teamspringen in Tschaikowski gewannen.
Zum Abschluss der ersten WM-Woche wurde das Publikum an den Bildschirmen Zeuge einer WM-Sensation, denn Gold im Mixed-Team ging an Deutschland. Darauf hatte zuvor nicht viel hingedeutet, was vor allem an der durchwachsenen Bilanz der deutschen Damen lag. Doch an diesem 28. Februar 2021 passte schließlich (endlich) alles zusammen: Katharina Althaus zeigte ihre besten Saisonsprünge, Markus Eisenbichler war Verlässlichkeit und Stimmungskanone zugleich, Anna Rupprecht wuchs über sich hinaus und Karl Geiger sprang mit fast schon verängstigender Selbstverständlichkeit zum Schluss. Den erhofften Schub im Hinblick auf das Großschanzen-Einzel gab es aber nicht, dort hatte Juliane Seyfarth als Zehnte ihren besten Auftritt im Saisonverlauf.
Dennoch war vierte Mixed-Team-Titel in Folge war der verdiente und würdige Schlusspunkt in der Amtszeit von Damen-Bundestrainer Andreas Bauer. Unter dem Strich war die Saison jedoch nicht zufriedenstellend. Von ihrem Ziel, stets um die Podestplätze mitzukämpfen, waren die DSV-Springerinnen die gesamte Saison über deutlich entfernt. Sinnbildlich dafür stand das Teamspringen in Ljubno, wo der Rückstand auf die Top 3 über 60 Punkte oder umgerechnet mehr als 30 Meter betrug. In Tschaikowski gab es schließlich den einzigen Podestplatz, doch der dritte Rang kam durchaus glücklich zustande. Die Japanerinnen wurden durch die Disqualifikation Yuka Setos zurückgeworfen und bei den Norwegerinnen wurde Maren Lundby schmerzlich vermisst.
Das beste Einzelergebnis im Weltcup-Verlauf war der sechste Rang von Katharina Althaus im Einzel von Ljubno, der mitentscheidend dafür war, dass sie als Gesamt-Neunte immerhin auf einem einstelligen Platz landete. Außer ihr konnte nur Anna Rupprecht für wirklich erfreuliche Resultate sorgen. Nach fast zwei Jahren Verletzungspause war die Degenfelderin nicht nur aufgrund der Plätze acht in Ramsau und zehn in Nischni Tagil ein echter Lichtblick im DSV-Team. Unter den Erwartungen blieb hingegen Juliane Seyfarth, die gleich vier Mal die Qualifikation nicht überstand, und als bestes Weltcup-Ergebnis drei 17. Plätze verbuchte.
Erfahren Sie in Teil 2 mehr über: Die Corona-Bilanz im Damen-Skispringen, das furiose Saisonfinale von Marita Kramer und den Status des Damen-Skispringens.
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